Pressefreiheit in der Türkei: Der „peak point“ ist erreicht

Die Einschränkungen nehmen zu, mehr als 130 Medienhäuser mussten laut Reporter ohne Grenzen ihre Berichterstattung bereits aufgeben. Ferda Cetin, General Coordinator eines kurdischen Fernsehsenders, klagt an. Fragen zur Meinungs- und Pressefreiheit musste sich auch der türkische Außenminister Cavusoglu (Bild oben, vor Journalisten im Europarat) stellen.

„Der peak point ist erreicht“, sagt Ferda Cetin. Er leitet Med-Nuc TV, einen kurdischen Fernsehsender. Allein in den letzten Wochen mussten 12 Fernseh- und 11 Radiosender ihre Pforten schließen. Auch Med-Nuc TV hatte eine Nachricht bekommen. Sie müssen dicht machen. Grund? „Bedrohung der öffentlichen Sicherheit“, heißt es laut Cetin. Doch die Journalisten wollen weiterkämpfen, schließlich hätten sie eine europaweite Lizenz, sagt Cetin. Er versucht, seine Sendungen jetzt durch andere Satellistenfrequenzen aus Brüssel zu senden. Auch weitere kurdische Fernsehsender senden mittlerweile aus Skandinavien oder Zypern.

„Erdogan is creating a dictatorship“, sagt Ferda Cetin. Ertugrul Kurkcu, Abgeordneter der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg, sieht es ähnlich: „The sphere of democracy and press freedom is shrinking on a mininum.“

Türkischer Außenminister Cavusoglu vor dem Plenum im Europarat

Presse- und Meinungsfreiheit sind Menschenrechte. Zu denen musste sich der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu (Bild oben) Fragen gefallen lassen, als er die Parlamentarische Versammlung in Straßburg besuchte. Denn die sind in der Türkei nach dem versuchten Putsch am 15. Juli durch die Ausrufung des Notstands und Außerkraftsetzung von Paragrafen offiziell eingeschränkt. Wann der Notstand denn wieder aufgehoben wird, wurde er nach seiner Rede im Plenum des Europarats gefragt.

Cavusoglu machte darauf aufmerksam, dass Frankreich ja auch den Ausnahmezustand nach den Attentaten ausgerufen und verlängert habe. Und nein, er wolle keine Vergleiche ziehe, sagte er und zog ihn genau durch diese Rede aber: In der Türkei habe es 10 oder mehr Anschläge in letzter Zeit gegeben. So legitimiert der Außenminister das Fortbestehen des Notstands. Wenn sich der Zustand bei uns normalisiert, wird er aufgehoben, sagte er unverbindlich.

Weiterhin eins der Schlusslichter beim Thema Pressefreiheit

Die Abgeordneten befragten den türkischen Außenminister weiter zu der Beweislage gegen Fetullah Gülen, wie er es mit der Todesstrafe, die neuerdings wieder zur Debatte steht, halte und was die Türkei beim Frozen Conflict um Berg-Karabakh zwischen Armenien und Aserbaidschan zu tun gedenke. Trotz freundlicher Worte – schließlich war Mevlüt Cavusoglu zwei Jahre lang Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarats gewesen – zeigten die Abgeordneten, dass sie Anworten von ihm haben wollten. Überraschende Antworten gab es allerdings nicht. Und auch keine absehbaren Verbesserungen für die türkischen Medien. Die Türkei befindet sich mittlerweile auf Platz 151 von 180 auf der Rangliste der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen aufstellt.

Ferda Cetin (auf der Tribüne, zweiter von links) berichtete während des Europarats in Straßburg von den Repressalien, denen türkische und kurdische Medien ausgesetzt sind.
Ferda Cetin (auf der Tribüne, zweiter von links) berichtete während des Europarats in Straßburg von den Repressalien, denen türkische und kurdische Medien ausgesetzt sind.

 

 

Aserbaidschan rückt weiter von Europa ab

Ein schwerer Verstoß gegen die Menschenrechte sei das Referendum über die Verfassungsänderung gewesen, sind sich Vertreter der Zivilgesellschaft in Aserbaidschan einig. Die Änderungen geben dem Präsidenten noch mehr Macht.

Am 26. September war das aserbaidschanische Volk aufgerufen, über Änderungen an der Verfassung abzustimmen. Dass es ein solches Referendum geben würde, wurde erst Mitte Juli öffentlich gemacht. Die Azeris und die gesellschaftlichen Gruppen erfuhren erst durch die Medien, was kommen soll. Die Kurzfristigkeit und dass es keinerlei Debatten und Diskussionsmöglichkeiten gab, kritisieren unter anderem Vertreter vom Centre for National and International Studies, dem alternativen REAL Movement und vom Institute for Reporters‘ Freedom and Safety während der Sitzung des Europarats in Straßburg. Die Einleitung sprach übrigens Nadiya Savchenko aus der Ukraine, die eindringlich die Wichtigkeit der Zivilgesellschaft beschwor.

Leyla Aliyeva kritisiert, dass die Abstimmung die Werte des Europarats untergräbt. Die neuen Änderungen vergrößern die Macht des Präsidenten, er muss sich nun erst alle 7 Jahre den offiziellen Wahlen stellen, statt alle 5. Ein Limit, wie häufig der Präsident wiedergewählt werden kann, wurde bereits im Vorfeld gekippt.

Möchte Ilham Aliyev die Macht an seinen Sohn abgeben?

Weiterhin kritisieren die Menschenrechtler, dass das Mindestalter für einen Präsidenten von 35 abgeschafft werden soll. Emin Huseynov vom Institute for Reporters’s Freedom and Safety vermutet, dass der amtierende Präsident so die Machtübergabe an seinen Sohn vorbereitet. Auch die Tatsache, dass der Präsident zwei Vizepräsidenten bestimmen kann, wovon der eine ihn vertreten kann, ohne vom Parlament abgesegnet zu sein, lässt Vermutungen zu, dass diese Plätze mit Familienmitgliedern besetzt werden sollen.

Vertreter des Europarats, die das Referendum beobachtet haben, waren vor Ort. Huseynov fragte bei der Pressekonferenz in die Runde, wie sich die Vertreter nach nur einem Tag in Aserbaidschan überhaupt ein klares Bild von der Situation hätten machen können und warum sie sich nicht mit gesellschaftlichen Gruppen beraten haben.

„Erodierte Zivilgesellschaft“

Gulnara Akhundova nennt das Referendum einen „big serious throw back into Soviet times“. Die Zivilgesellschaft sei sowieso schon völlig erodiert, für NGOs wird es immer schwieriger zu operieren und Medien seien immer mehr unter Beschuss. Das einzige unabhängige Azeri Medium berichtet aus Berlin, sagt Akhundova: „Die Medien sind gezwungen, ins Exil zu gehen.“ Journalist Huseynov findet noch deutlichere Worte: „Wo ist noch der Unterschied zwischen Aserbaidschan und Nordkorea?“ Und findet selbst eine nicht zufriedenstellende Antwort: Aserbaidschan sei immerhin Mitglied im Europarat. Die offziellen Ergebnisse des Referendums sollen am 21. Oktober vorliegen.

Die Vertreter der verschiedenen Institute mahnen auf der Pressekonferenz in Straßburg, dass durch das Referendum die Macht des Präsidenten wächst.
Die Vertreter der verschiedenen Institute mahnen auf der Pressekonferenz in Straßburg, dass durch das Referendum die Macht des Präsidenten wächst.

Francois Hollande – wird der Präsident nochmals kandidieren?

Zur einer erneuten Kandidatur als französischer Präsident möchte sich Hollande erst im Winter äußern – aber mit seinem Besuch beim Europarat in Straßburg gab er sich staatsmännisch und zukunftsorientiert. Das sollte auch ein Signal an die Franzosen sein.

Bereits Mitte September hatte er mit einer Grundsatzrede vor dem linken Thinktank Jean-Jaures Aufmerksamkeit erregt und die Gerüchte über eine erneute Kandidatur angefacht. Offensichtlich möchte der Präsident die verbleibenden Wochen bis zum Parteitag der Sozialisten nutzen, um „sein Image als oberster Interessenvertreter der Nation“ zu pflegen, schreibt der SPIEGEL.

Auch bei seiner Rede vor dem Europarat ging es um Frankreich, la Grande Nation, und ihre Stellung in Europa. Mehrmals betonte Hollande das enge Verhältnis von Frankreich zu den europäischen Institutionen wie dem Europarat und stilisierte sich als Hüter der Menschenrechte. Selbst als Abgeordnete kritisch nachfragten, wie Frankreich es mit der Wahrung der Menschenrechte nach Inkrafttreten des Notstands nach den Attentaten vom 13. November 2015 hielt, bekräftigte der Präsident, dass alle Maßnahmen wie beispielsweise Hausdurchsuchungen immer unter richterlicher Anordung geschähen. Grundsätzlich könne diese Situation keine dauerhafte Lösung sein, so Hollande und zeigte auf, dass er den Ausnahmezustand in absehbarer Zeit wieder absetzen möchte.

Außenpolitische Fragen standen auf der Agenda

Der französische Präsident betonte in seiner Rede und in der anschließenden Fragerunde im Plenum des Europarats, dass er sich schnellstmöglich eine Lösung in Syrien und in der Ukraine wünscht, und bekräftigte seine Gesprächsbereitschaft mit Putin. Zurzeit tobt ein Machtkampf zwischen den beiden Präsidenten. Putin hatte seinen geplanten Besuch in Paris abgesagt – offenbar, weil Frankreich harsche Kritik an Russland angebracht hat und sogar von russischen Kriegsverbrechen in Syrien gesprochen hat.

Darüberhinaus hatte Russland erst vor wenigen Tagen einen Vorschlag Frankreichs für eine sofortige Feuerpause in Aleppo im UN-Sicherheitsrat blockiert, indem es ein Veto eingebracht hatte. Die Russen selbst hatten ihre eigene Resolution zur Abstimmung gestellt. Die sah zwar laut der ZEIT einen Waffenstillstand vor, allerdings kein Verbot von militärischen Flügen über der syrischen Stadt – und fiel ebenfalls bei der Abstimmung durch. Francois Hollande kritisierte Russlands Veto, bekräftigte dennoch seine Gesprächsbereitschaft mit Russland. „Toujours – la dialogue“ waren seine eindringlichen Worte. Ohne Dialog geht es nicht.

Die Freiheit gegen Terror  verteidigen, obwohl man selbst mehrfach getroffen wurde: Hollande zeichnete das Bild einer verwundeten Nation, die stolz weitermacht und ihre Werte verteidigt. Das Gleichgewicht haben wir gefunden, sagte er. „Sicherheit und Selbstsicherheit sind mit den Werten des Rechtsstaats vereinbar“, ist seine Konklusion. Frankreich ist ein Land, das gegen den Terrorismus kämpft. Es klingt danach, als würde er gerne weiterhin an der Spitze des kämpfenden Frankreichs stehen wollen.

Süße Knolle: Trendgemüse Süßkartoffel

Auch Nahrungsmittel unterliegen Trends – die Süßkartoffel, die nur dem Namen her, aber nicht botanisch gesehen mit der Kartoffel verwandt ist, hat in jüngster Zeit Supermärkte und Speisekarten erobert. War sie anfangs nur in Bioläden zu bekommen, sieht man sie in immer mehr in normalen Supermärkten und Discountern. Ob im Rewe, Edeka oder Aldi: Die Menschen sind auf den Geschmack gekommen.

Der ist, wie der Name zurecht betont, eher süß als herzhaft. Weiterer Vorteil von Ipomoea Batatas ist die schnelle Garzeit und die vielen Ballaststoffe und Vitamine, die unter der meist rötlich-purpurnene Schale im orangenfarbenen Fleisch stecken. 3 Gramm Ballaststoffe pro 100 Gramm gekochter Süßkartoffel, dazu Vitamin D, ß-Carotine und sekundäre Pflanzenstoffe sind laut Verbraucherinformationsdienst aid drin. Mit nur 108 Kalorien ist die Knolle auch grundsätzlich sehr kalorienarm.

Wie bereitet man die Süßkartoffel am besten zu? Die Möglichkeiten sind schier unendlich. Man kann sie zum Beispiel wie „normales“ Gemüse als weitere Zutat in einer Gemüsepfanne braten. Als ich mir das erste Mal die Knolle im Bioladen gekauft hab und überlegt hab, was ich daraus machen soll, hab ich sie gekocht und zu einer Suppe püriert. Mein Freund hatte so eine Süßkartoffelsuppe mal in einem peruanischen Restaurant gegessen und war von dem intensiven Geschmack ganz angetan. Angeblich findet sich in Südamerika auch ihr Ursprung, spanische Eroberer sollen die Süßkartoffel nach Europa mitgebracht haben.

Süßkartoffelpommes mit Sourcream: Der Renner

Mittlerweile hab ich diverse Suppenvarianten ausprobiert: Ob gemeinsam mit normalen Kartoffeln und Sahne gekocht, oder eher gemüsig mit Zucchini. Gerne tute ich sie auch in Gemüseaufläufe rein. Aber am besten entfaltet sich meiner Meinung nach der Geschmack, wenn man sie alleine zubereitet, ohne Schnickschnack, was ablenkt: Einfach in Pommesform oder Scheiben schneiden und mit Öl beträufelt ab in den Backofen. Dazu Sourcream oder ein anderer Dip, unglaublich lecker. Aber Achtung: Die Konsistenz ist im Vergleich zu der Kartoffel viel härter, man braucht da durchaus paar Minuten mehr, um so eine große Knolle in handliche Pommesstücke zu verarbeiten. Die Schale kann man auch mitkochen und mitessen, würde ich allerdings nicht empfehlen – teilweise ist die ganz schön hart.

103 Millionen Tonnen an Süßkartoffeln werden laut Wikipedia geerntet, größter Produzent ist China. Damit ist die süße Knolle in guter Gesellschaft von Kartoffel und Maniok. Den Vertreter der Windengewächse erhält man quasi das ganze Jahr über, da die Süßkartoffel sowieso eher in warmen Regionen wächst. Man bekommt sie aus den USA, Spanien, Israel, Afrika. Mein absolutes Trendgemüse in diesem Herbst.

Oben roh...hier kross gebraten, mit Pfeffer und Paprika: Süßkartoffelchips.
Oben roh…hier kross gebraten, mit Pfeffer und Paprika: Süßkartoffelchips.

Arm oder reich? Warum Nationen scheitern

Warum sind einige Nationen wohlhabend, demokratisch und lassen ihre Bürger an politischen und wirtschaftlichen Prozessen teilhaben – während andere Staaten unter machthungrigen Personen leiden, die ihre Bürger ausbeuten und sie an der gesellschaftlichen Teilhabe hindern? Dieser Frage gehen die Wissenschaftler Daron Acemoglu und James Robinson in ihrem Werk „Warum Nationen scheitern“ nach.

Die Autoren behaupten, dass einige (zugegebenermaßen klischeebehafteten) Theorien mit ihren kulturwissenschaftlichen oder geografischen Ansätzen die Unterschiede auf der Welt nicht erklären können, und entwickeln in ihrem Buch einen neuen Ansatz.

Wohlstand kann dort am besten gedeihen, wo sich inklusive politische und wirtschaftliche Institutionen ausbilden, sagen Ökonom Acemoglu und Politologe Robinson und meinen damit Systeme wie „unsere“ Demokratien der „westlichen Welt“, die Bürger mitbestimmen lassen, Eigentumsrechte durchsetzen, faire Wettbewerbsbedingungen und ein unabhängiges Rechtssystem zulassen. Begrenzt ist Wohlstand auch in anderen Systemen möglich, als Beispiel dienen den beiden Wissenschaftlern die ehemalige Sowjetunion mit ihrer Planwirtschaft und das heutige China, was ja immer noch kommunistisch geprägt ist, sich mittlerweile dennoch wirtschaftlich stark geöffnet und reformiert hat. Doch nur die inklusiven Systemen erzeugen nachhaltig Wohlstand, davon sind die Autoren überzeugt.

Doch warum haben sich in einigen Ländern der Erde solche Systeme entwickelt und in anderen nicht? Hier gibt das Ökonomen-Politologen-Duo einen interessanten und analytischen Einblick in die Geschichte und erklärt mit seiner Theorie, warum die industrielle Revolution gerade in Großbritannien ihren Anfang nahm und wie es dazu kam, dass sich die politische Macht auf viele Schultern verteilte und somit Schub für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung gab – während in anderen Regionen die Macht in den Händen eines Königs oder einer Dynastie vereint blieb und sich die Gesellschaften bis heute nicht davon erholt haben. Warum spielt das Thema Leibeigenschaft im Mittelalter eine so große Rolle und was für Auswirkungen hatte das Wüten der schwarzen Pest im 14. Jahrhundert? Was hat die europäische Kolonialisierung mit der Armut in so vielen afrikanischen Staaten zu tun (eine Menge!) und sind die Entwicklungen immer vorgeben, oder kann man Teufelskreise auch durchbrechen – oder sind sogar demokratische wohlhabende Systeme dem Risiko, ein failed state zu werden, ausgesetzt?

Die beiden Autoren entwickeln ihre Theorie anhand von vielen Beispielen aus der ganzen Welt und aus allen Epochen. Manchmal kommt man durch die Sprünge zwischen den verschiedenen Jahrhunderten und Kontinenten kaum hinterher. Das Werk ist keine locker-flockige Bettlektüre, bietet aber auf knapp 600 Seiten einen guten Überblick über das Zusammenspiel von Wirtschaft, Politik und geschichtlichen Entwicklungen. „Aha-Effekte“ sind garantiert, das Buch macht definitiv Lust, sich mehr mit diesem Thema zu beschäftigen.

„Warum Nationen scheitern“ – von Daron Acemoglu und James A. Robinson, www.fischerverlage.de

Bergische Streifzüge: Wie steinreich Lindlar wirklich ist

Tour Nummer 8 der Bergischen Streifzüge führt um Lindlar herum. Die Leute, die dort leben, sind steinreich – im wahrsten Sinne des Wortes. Den Reichtum an Steinen und die Geschichte der teilweise immer noch betriebenen Steinbrüche kann man auf dem Steinhauerpfad entdecken.

„Der ist weg vom Fenster“ – wer hätte gedacht, dass das Sprichwort aus dem Bergbau kommt? Das Abschlagen der Steine aus den Steinbrüchen führte im 19. Jahrhundert bei den Arbeitern zur so genannten Staublunge. Der Staub und kleine Teilchen hatten sich an der Lunge abgelagert. Husten und Atemnot war das Los vieler Arbeiter. Waren sie erkrankt, saßen sie immer am Fenster, da sie dort gut Luft bekamen. Wurde einer dort nicht mehr gesichtet – war er mit Sicherheit tot.

Wer sich mit der Lindlarer Geschichte und ihrer Verbindung zum Naturgut Stein beschäftigen will, ist beim Rundweg gut aufgehoben. Auf 6,2 Kilometern geht es durch den Ort mit seinem schönen alten Zentrum, gesäumt von Fachwerkhäusern und den mit Schindeln bedeckten Häusern. Drei noch aktiv betriebene Steinbrüche kann man sich während der Tour anschauen – und über Größe und Ausmaße staunen. Ein Steinbruch hat was von einem Wimmelbild: Überall entdeckt man was. Arbeiter, Bagger, Wasserbecken, Pflanzen, die sich an den Hängen ihr Territorium zurückgeholt haben.

Weiter Blick ins Bergische Land hinein.
Weiter Blick ins Bergische Land hinein.

Wie es aussieht, wenn sich die Natur einen kompletten stillgelegten Steinbruch zurückerobert, kann man auf der Tour auch sehen. Regelrecht verwunschen wirkt der überwucherte Steinbruch, teilweise gar nicht von normalem Wald zu unterscheiden. An den Seiten kann man allerdings noch die Zugänge sehen, über die die Arbeiter früher mit Schubkarren die kostbare Fracht abtransportiert haben. Doch Bäume, Sträucher, Moos und Wasser haben sich wieder breit gemacht und eine neue Haut über die alte Wunde wachsen lassen, die jahrelang dort klaffte – von Menschenhand zugefügt.

Ein weiteres Highlight: Überreste eines ehemaligen Arbeiterhäuschens aus dem 19. Jahrhundert. Die Arbeiter wollten und mussten nahe zum Bruch leben. Die Umrisse zeigen auf, dass einem Arbeiter mit seiner mehrköpfigen Familie nicht viel mehr als 15 Quadratmeter Wohnfläche zustanden. Und dann wurden die Arbeiter durch besagte Staubunge häufig nicht älter als 45 Jahre alt. Ein entbehrungsreiches Leben, das dennoch viele Menschen anzog, Arbeiter aus Frankreich und der Eifel haben auch in den Lindlarer Steinbrüchen geschuftet.

Mehr Infos zu den Bergischen Streifzügen gibt es auf der Seite Bergisches Wanderland.

Streifzug Nummer 7 führt von Kürten ins Bergische Land: Der Mühlenweg ist ebenfalls wunderschön!

Urlaubsspaß trotz Terror?

Anschläge und Attacken erschüttern Deutschland und Frankreich zur Sommerferienzeit. Darf man trotz des Terrors Spaß im Urlaub haben – oder sollte man vielleicht gerade deswegen?

Ein Lkw-Fahrer rast in eine Menschenmenge, ein Jugendlicher geht mit einer Axt auf Passagiere in einer Bahn los, ein Amokläufer erschießt Menschen in einem Einkaufszentrum und in einer beschaulichen Kleinstadt zündet jemand einen Sprengsatz. Man liest das, hört das, sieht die Bilder im Fernsehen, schüttelt den Kopf…und verbringt den Rest des Tages seelenruhig am Strand. Terror zu Urlaubszeiten: Wie geht man damit um? Informiert man sich, diskutiert darüber und lässt zu, dass die Nachrichten was mit einem selbst machen und den Charakter des Urlaubs verändern? Oder genießt man den Urlaub trotzdem – vermeidet vielleicht sogar bewusst die Berichterstattung, um sich die „schönste Zeit des Jahres“ nicht vermiesen zu lassen? Mit oder ohne schlechtes Gewissen?

All diese Fragen hab ich mir gestellt, als mich einige der Nachrichten auf dem Weg in den Sommerurlaub erreicht haben. Und ich habe alle Phasen durchlaufen. Bei dem Amoklauf in München habe ich noch an der Autobahnraststätte versucht, mich über Spiegel Online auf dem Laufenden zu halten, was denn eigentlich passiert sei und wie der Stand der Dinge ist. Beim Anschlag in Ansbach habe ich das nur so mit halbem Ohr mitbekommen und dann trotzig gesagt: Nein, ich will jetzt darüber nichts Genaueres wissen, ich bin jetzt im Urlaub und habe Spaß. Basta. Bis sich das schlechte Gewissen eingeschlichen hat: Wie es den Menschen in Deutschland oder an den Anschlagsorten gerade geht oder den Angehörigen der Opfer gar? Sie machen gerade die Hölle durch und ich liege verträumt am Strand. Darf man überhaupt unter solchen Bedingungen unbeschwerte Freude im Urlaub haben oder hat man das Gefühl, Feriengefühle seien deplatziert und zeugten nur von mangelnder Empathie?

Dass man sich diese Fragen stellt, zeigt, dass wir fühlende Menschen sind, die sich Gedanken um andere machen. Und doch sind diese Fragen auch widersinnig. Jeden Tag passiert zu jeder Zeit irgendwo auf der Welt irgendwas und wenn man immer mitfühlen würde, tagelang schockiert sein würde, und sich davon aus seinem Leben reißen lassen würde, hätte man rasch keine Freude am Leben mehr. Gerade durch die Medien und das Internet erscheinen einem Ereignisse immer sehr nah. Dessen muss man sich bewusst sein. Früher war der Kreis, in dessen Radius die Leute (positive wie negative) Ereignisse mitbekommen haben, einfach viel kleiner als heute, wo alles innerhalb kürzester Zeit, ja immer häufiger zeitgleich, präsent ist. Doch man darf nicht alles zu nah an sich heranlassen, sonst wird man von dem negativen Sog verschluckt.

Und wollen die Attentäter nicht genau das? Ein Gefühl der allgegenwärtigen Angst verursachen, eine Gesellschaft, die nicht mehr Spaß haben kann und in Ruhe in Ferien fahren kann, um sich zu erholen. Lebensfreude, Genießen, neue Sachen entdecken sind durchaus Grundpfeiler der westlichen Gesellschaften und kennzeichnen deren Stil. Das will der IS und seine Anhänger, auch wenn sie einzeln handeln, bekämpfen und ein Klima der Angst erzeugen, in dem all das erstickt wird.

Wobei mir auch bewusst ist, dass man hier nicht von den Attentäter sprechen kann, da man nicht alle über einen Kamm scheren kann. Hier beziehe ich mich eher nicht auf Einzeltaten von singulären Tätern, die in der Tat offensichtlich ein Ventil für alles negative Angestaute sehen, wie bei dem Fall in München, sondern auf den systematischen Terror, den zum Beispiel der IS als Strategie verfolgt und nach dessen Kriterien er Anschläge verübt und für sich deklariert.

Diesen Menschen spielen natürlich auch die singulären Anschläge, die eigentlich nicht auf deren Konto gehen, in die Hände. Weil sie möchten, dass sich die Leute grundsätzlich am Strand nicht mehr sicher fühlen, sich Gedanken machen, ob der nächste Wochenendtrip nach München gehen muss oder ob man nicht besser Großstädte meidet – aber nein, Ansbach ist doch auch ein kleines Nest -, und von Regionalbahnen und Einkaufszentren sollten wir uns in nächster Zeit wohl auch besser fernhalten?

Wer in diese Gedankenspirale fällt, handelt menschlich und durchaus natürlich – der Mensch will Risiken vermeiden – aber er sorgt auch dafür, dass die Strategie des Terrors aufgeht. Informieren, mitfühlen, zulassen, dass die Nachrichten einen schockieren, sich aller Facetten bewusst werden – und dann trotz Terror (und das meine ich wörtlich: Dem Terror und den Attentätern zum Trotz) in Ruhe den Urlaub genießen, das ist meiner Meinung nach die beste Strategie gegen den Terror.

Was man über Kaffee wissen sollte

150 Liter Kaffee im Jahr trinkt der Durchschnittsdeutsche im Jahr. Macht ungefähr 0,4 Liter am Tag. Eine Jumbotasse oder drei kleine Tässchen.

Das braune Getränk ist aus dem meisten Leben der Bürger nicht mehr wegzudenken. Gerade für Journalisten ist der Muntermacher das Lebenselixier schlechthin 😉 und für viele das erste (und einzige), was sie nach dem Aufstehen sehen wollen. Ich hab mich mal durch paar Statistiken und Zahlen gewühlt – und ganz interessante Dinge herausbekommen.

  • Schnell mal in den Laden und ein Kilo Kaffeepulver kaufen. Dafür müssen 5 Kilogramm Kirschen verarbeitet werden. Das entspricht 4000 einzelnen Kirschen oder 8000 Kaffeebohnen. Und das, obwohl der durchschnittliche Kaffeebaum gerade einmal ein halbes Kilo Rohkaffee pro Jahr abwirft. Wenn ein/e Durchschnittsbürger/-in im Jahr knapp 7 Kilogramm Kaffeepulver verbraucht, braucht er also die Ernte von zwei Bäumen.
  • Überhaupt das erste Mal Kaffeekirschen von der Kaffeepflanze ernten kann man nach drei bis vier Jahren. Das maximale Produktionsvolumen erreicht die Kaffeepflanze nach sechs bis acht Jahren, dann steht sie sozusagen „in voller Blüte“. Um die neun Monate dauert es, bis eine Blüte am Kaffeebaum zur Frucht gereift ist, wie bei den Menschen. Die Arabicafrüchte sind etwas schneller reif (7-9 Monate), die Robustapflanzen brauchen etwas länger (9-11 Monate). Mehr Vergleiche zwischen den großen Arabicabohnen und ihren kleinen Robusta-Schwestern: Der Koffeinanteil in einer Arabicabohne beträgt zwischen 0,8 und 1,5 Prozent, während er bei der Robustabohne zwischen 17, und 3,5 schwankt.
  • Welches Land produziert am meisten Kaffee? Da gibt es unterschiedliche Statistiken, je nachdem, ob man die Menge an Rohkaffee nimmt oder den Ernteertrag pro Fläche oder ob man nur auf den Export schaut. Was den Ernteertrag pro Fläche angeht, war Malaysia Sieger (zahlen von 2013) mit etwas mehr als 29.000 Hektogramm pro Hektar. Brasilien hingegen produziert absolut gesehen am meisten: 32 Prozent der weltweiten Kaffeerohproduktion geht auf das Konto des südamerikanischen Landes. Brasilien führt auch bei der angebauten Fläche: Auf über 2 Millionen Hektar Land (2,085 ha) wachsen Kaffeebäume. Doch zu dicht sollten die Pflanzen nicht stehen, mehr als 1200 und 1800 Bäume pro Hektar sollten nicht wachsen.
  • Kaffee wird immer saurer, je länger er stehen bleibt. Schmeckt man ja. Hat man frischen Filterkaffee aufgebrüht, hat er einen pH-Wert von 5,28. Nach einer halben Stunde des Warmhaltens schon nicht mehr als 5,05, nach einer Stunde ist der Wert auf 4,93 gesunken und nach drei Stunden auf 4,9. Also zügig genießen.

Das und vieles mehr ist im Tchibo-Kaffeereport nachzulesen. Einmal im Jahr bringt das Unternehmen gemeinsam mit Brand Eins und Statista den Bericht mit Zahlen und Statistiken heraus.

 

Die West Highlands: Schottland von seiner schönsten Seite

Wer den hohen Norden der britischen Insel entdecken will, ist in den West Highlands genau richtig. Berge und Meer: Was will man mehr? Zu Besuch in Oban, dem Tor zu den Südlichen Hebriden.

Der Zug gewinnt an Fahrt, und an Höhe. Links aus dem Fenster glitzert Loch Lomond in der Sonne. Rechts leuchtet gelber Ginster vor dem tiefblauen schottischen Sommerhimmel. Rätätätä, macht der Zug. Wäre das eine Melodie, hätte der oder die Komponist/in auf der letzten Note einen Akzent gesetzt, um sie zu betonen. Jetzt, wo es langsam Richtung Highlands geht, kommt der Zug ins Schwitzen. Woran man übrigens erkennt, dass man in einem britischen Zug sitzt? Es gibt Porridge „to go“.

Schafe auf Kerrera
Schafe auf Kerrera

Knapp 4 Stunden dauert die Fahrt von Edinburgh nach Oban an der Westküste Schottlands. Einmal muss man quer durchs Land. Und es lohnt sich! Oban ist das Tor zu den Inseln der „Southern Inner Hebrides“. Im Minutentakt setzen die Fähren ab, Richtung Mull, Lismore oder zu den entfernteren Inseln Coll und Tiree oder sogar nach South Uist. Sie alle müssen durch den „Sound of Mull“.

Viele Inseln haben eins gemeinsam: Die zahlreichsten Bewohner sind – Schafe. Sie scheinen jeden Quadratmeter zu bevölkern, tauchen aus tiefem Gras auf, beäugen einen misstrauisch oder blöken sich gegenseitig etwas zu. Ginster, Iris und wilde kleine Orchideen runden das idyllische Bild ab. Es ist Juni. Seit drei Wochen hat es hier in Westschottland an der Küste kaum geregnet, die Einheimischen können es nicht fassen. Während Mitteleuropa mit Fluten zu kämpfen hat und Gewitter über das Festland ziehen, scheint der Norden Großbritanniens ein Hort an Lieblichkeit.

Im Gebirge herrschen eigene Wettergesetze

Aber Schottland kann auch anders. So schön es sich an der Küste zeigt, so rau und wirsch offenbaren sich die Berge dem/r Wanderer/in. Wolkenberge türmen sich innerhalb von Minuten auf, schon erscheint der erste Blitz am Horizont. Und schon bald prasselt der Regen nieder. Das Wetter in den Highlands ist unberechenbar, die Berge haben ihr eigenes Klima. Dort kann man immer von Gewitter oder Sturm überrascht werden. Und es sterben immer noch Kletterer, wie kürzlich in Glen Coe.

Ein verlassener Stall auf der Insel Lismore.
Ein verlassener Stall auf der Insel Lismore.

Meine Tour startet in Dalmally, einem kleinen Ort am Fuße der Highlands. Eine Häuserreihe schmiegt sich um den Bahnhof, im Hintergrund ragen die Berge empor. Jedes zweite Haus ist „to let“, zu verkaufen. Hier möchte kaum jemand freiwillig wohnen. Einige Schulkinder kommen mit einem Sonderzug aus Oban an.

Der Fahrer des Schulbusses, der gleichzeitig auch Elektriker für die Gemeindeverwaltung ist, wartet geduldig auf ihre Ankunft. Er macht seinen Job als Schulbusfahrer aber gerne zusätzlich: „It’s always a good laugh“ mit den Kindern, meint er grinsend. Er kann es irgendwie nachvollziehen, dass so viele Menschen wegziehen. Lediglich einen kleinen Supermarkt gebe es hier, erklärt er. Für alles andere muss man weiter weg.

Gedenkstätte an ein Mitglied des McLean-Clans in den Highlands.
Gedenkstätte an ein Mitglied des McLean-Clans in den Highlands.

Dabei war Dalmally einmal ein bedeutender Ort. Hier war Endstation der Zugstrecke von Edinburgh. 1877 eröffnet, mauserte es sich zu einem Touristenhotspot. Früher. Akribisch listet eine Chronik Daten und Ereignisse auf. „1909: Dalmally is thriving, it even has got its own jewellery shop“, heißt es stolz. Auch die Namen der Bahnhofsvorsteher sind detailliert notiert. Man erfährt, dass 1931 Peter Gow Dalmally verlassen hat, John Walker wurde sein Nachfolger. Auch die Zeitungen haben über den Ort berichtet. 14th May 1927: „A traveller dies smoking in the waiting room“, berichtet die Zeitung. Doch die Zugstrecke wurde nach Oban verlängert, seit dem versinkt Dalmally in Bedeutungslosigkeit.

Die Lochs, die Seen, sind glasklar und azurblau.
Die Lochs, die Seen, sind glasklar und azurblau.

Mittlerweile ist Oban das Zentrum der Region. Und punktet mit einer der beiden letzten Destillerien in den West Highlands. Wer live erleben will, wie Single Malt Whisky hergestellt wird, ist hier am richtigen Fleck. Und sowieso: Verhungern und verdursten kann man in Schottland nicht. Auch wenn die Rafinesse des Essens durchaus in Frage gestellt werden kann. Burger und Pommes, mit deren Verzehr man gleichzeitig einen halben Liter Speiseöl zu sich nimmt, ist nur ein Beispiel, das das Klischee durchaus bestätigt, dass man nach Großbritannien nicht der kulinaischen Genüsse wegen kommt.

Eins aber können die Schotten wie die Engländer auch: Sweets! Ob die klassischen Scones mit getrockneten Früchten, Marmelade und Sahne, Gebäck oder Nougathäppchen. Wer gerne Nachtisch isst, kommt hier auf seine Kosten. Enjoy!

Tea and scones gehen immer!
Tea and scones gehen immer!

Grüne, saftige Wiesen gibt es ebenfalls in Irland. Dort war ich vor einigen Jahren, bin über Dublin und Limerick nach Galway gereist. Wonderful!