Wer atemberaubende Naturschauspiele sucht, wird in der wilden Mongolei fündig. Neben spektakulären Ausblicken und kultureller Vielfalt haben die Nachfahren Dschingis Khans eins im Überfluss: Raum und Weite.
In Deutschland wird erbittert um Solarenergie gestritten. Doch in welchem Land der Erde gehören Solaranlagen zur Grundversorgung? In der Mongolei! Das hätte man als Europäer nicht vermutet, doch es ist wahr: Zu den allermeisten Nomadenjurten gehört eine Solaranlage, die den Bewohnern etwas Strom spendet. Willkommen im Reich der Nomaden, wo Traditionen wie zu Dschingis Khans Zeiten sich mit den Technologien der Gegenwart vermengen. Rund ein Drittel der mongolischen Bevölkerung lebt als Nomaden, das sind knapp eine Million Menschen. Alle paar Wochen packen sie ihre Zelte zusammen und ziehen weiter – immer auf der Suche nach frischen Weidegründen für ihr Vieh.
Doch wer in die Mongolei fährt, hat vor allen Dingen eins im Sinn: Die Natur. Denn wenn das Land etwas genug hat, dann ist es Steppe in allen Variationen, Wüste und Grasland.
Nicht nur Grasland – in der Mongolei findet man sechs unterschiedlich geografische Zonen: Die Hochgebirgszone, die Gebirgstaiga, die Gebirgswaldsteppe, die Steppe, die Wüstensteppe und die Wüste
In der Provinz Bulgan, nordwestlich der Hauptstadt Ulan Bator (mongolisch: Ulaanbaatar), sind die Wiesen grün und saftig, karge Baumbestände wechseln sich mit sanft geschwungenen Hügeln ab. Die Frische kommt nicht von ungefähr: Es regnet viel und mancherorts wähnt man sich in irischen Gefilden. Im Hunnental in der Arkhangai-Provinz, das sich südlich zieht, erlebt man die Mongolei, so wie man es sich als Europäer erträumt hat: Ein Fluss durchfließt das Tal, wie ein Band schlängelt er sich durch die grüne Landschaft.
Weiße Punkte entlang des Ufers verraten die Jurten und ihre Bewohner. Überall Tiere, soweit das Auge blickt: Ziegen, Schafe und Pferdeherden durchqueren die Steppe. Trotz Sommer ist es kühl, morgens ziehen Nebelschwaden an den Hügeln entlang. Tiefhängende Wolken schmiegen sich an die Berge – kommt die Sonne raus, erkennt man die komplizierten und filigranen Muster, die die Wolken auf die Berge malen.
Die Gobi: Trockene Steppe, kaum Vegetation und doch belebt
Fährt man noch weiter in den Süden, kommt man langsam aber sicher in das Gebiet der Gobi. Sichere Anzeichen sind die ersten Kamele, die durch die karge Steppe streifen. Die Mongolen benutzen den Begriff „Gobi“ nicht für eine bestimmte Region, sondern bezeichnen damit einen bestimmten Landschaftstypus: Der Begriff „Gobi“ bezeichnet eine trockene Wüstensteppe oder eine Fels- und Geröllwüste.
Wer das Tal der Gobiseen durchquert (eine 600 Kilometer breite Senke von Nordwest nach Südost) und eine Rast inmitten der knochentrockenen Steppe macht, dem fällt sofort die Stille auf, die in der Wüste herrscht. Bleiern legt sie sich auf die Ohren, erst nach einigen Sekunden der Gewöhnung vernimmt man ganz leise von fern ein Zirpen und Rascheln. Es ist brütend heiß, das Quecksilber klettert locker Richtung 40 Grad Celsius und das ist durchaus noch moderat. Am Horizont flimmert die Altai-Gebirgskette, einzige Vegetation sind die Abermillionen Saxaulbüsche, die alle paar Zentimeter die Steppe bedecken. Ja, dieser Ort wird zu Recht als „lebensfeindlich“ bezeichnet, auch wenn natürlich Leben herrscht: Einzelne Fliegen summen und bezeugen, dass dieser Ort nicht vollkommen verlassen ist. Zwei einzelne Nomadenjurten entdeckt man in der Ferne und fragt sich gleichzeitig, wie Menschen hier überleben können.
Wer in der Wüste ist, sollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen und den Sternenhimmel bewundern. Fernab von jeder Lichtverschmutzung kann man das ganze Ausmaß der Schönheit sehen: Tausende Sterne glitzern und funkeln am Firmament und reichen bis hinunter zum Horizont. Man hat das Gefühl, inmitten eines Sternenregens zu stehen.
Nirgendwo hat man so eine gute Sicht auf die Milchstraße, die sich wie ein weißes Band quer über den Himmel schlängelt. Auch die Sonnenaufgänge sind von betörender Schönheit: Wenn es gegen halb fünf Uhr im Sommer hell wird, tauchen die ersten Sonnenstrahlen die östlichen Ausläufer des Gobi-Altais in rosafarbenes Licht. Der Sand scheint minütlich die Farbe zu wechseln und geht die gesamte Palette an Pastellfarben rauf und runter, bis schließlich um halb sechs die Sonne aufgeht, das rosafarbene Licht verscheucht und der Tag anbricht.
Atemberaubende Landschaften wechseln sich ab – mal fühlt man sich in die Alpen versetzt, dann wieder erinnert die karge Natur an Patagonien
Die Reise führt zurück in den Norden. Man fährt vorbei an blühenden Wiesen, die von gelben und lilanen Farbtupfern übersäht sind. Es geht vorbei an den klaren und tiefblauen Bächen des Orkhontals, an den bunten buddhistischen Klöstern mit ihren knarzenden und quietschenden Gebetsmühlen. Und schließlich landet man dort, wo die Reise angefangen hat und wo alle Wege hinführen: Ulan Bator. Eine typisch postkommunistische Metropole, als Schönheit oder Juwel kann man sie weiß Gott nicht bezeichnen. Und dennoch findet man dort einen faszinierenden und spannenden Mix aus sozialistischer Architektur, alten Tempelanlagen und modernen Bauten.
Die Mongolei ist ein Reiseland für die Sinne: Atemberaubende Landschaften ziehen am Reisenden vorbei, man trifft Menschen, die sich ihre ursprüngliche Lebensweise bewahrt haben und doch dem Fortschritt geöffnet haben. Und nicht zuletzt findet man das, wofür die Mongolei bekannt ist und wofür sie steht: Ruhe und Weite.