Der Aufstieg auf Spaniens höchsten Berg auf Teneriffa ist mühsam und gefährlich: die Höhenkrankheit erwischt unachtsame Wanderer. Belohnt wird man auf dem Pico del Teide mit einem grandiosen Sonnenaufgang.
5 Uhr morgens, das Thermometer kommt kaum über 0 Grad: Auf der Berghütte klingelt der Wecker. Ein Pulk an Wanderern schält sich aus den Betten. Funktions-T-shirt an, Wanderhose drübergezogen. Die ersten fangen an zu frühstücken, es gibt Tee und belegte Brote, während die Langschläfer noch die letzten Sekunden in den Jugendherbergszimmer auskosten. Die Nacht war rau auf Spaniens höchstem Gipfel, dem Teide. 3718 Meter ragt der Vulkan von der kanarischen Insel Teneriffa empor – Wahrzeichen der Tinerfenos, wie sich die Einwohner der 2034 Quadratkilometer großen Insel nennen.
Teneriffa gilt als Kontinent im Kleinen: von Urwald über Strand bis hin zu trockenen Halbwüsten, sodass man sich in die Weiten Arizonas oder Nevadas versetzt fühlt. Und eben auch Hochgebirge. Wer den Teide besteigen möchte, muss früh aufstehen. Eine Wanderroute führt die Ostflanke des Giganten hinauf, auf 3200 Meter Höhe kann man im Refugio Altavista, in einer Berghütte, übernachten. Am nächsten Morgen steht man frühzeitig auf, um pünktlich beim Sonnenaufgang auf dem Gipfel zu stehen.
Steine und Landschaften wie von einer anderen Welt
Wer die Hütte erreicht, ist schonmal weit gekommen. Derjenige hat rote erstarrte Lavaerde durchquert, die genausogut von Bildern der Nasa vom Mars stammen könnte. Er ist an den Eiern des Teide vorbeigestapft, tonnenschwere schwarze Magmakugeln, die der Vulkan bei seinen Ausbrüchen (der letzte im Teide-Massiv fand Anfang des 20. Jahrhunderts statt) kilometerweit geschleudert hat. Er hat den beschwerlichen Aufstieg vorbei an vertrockneten Hölzern und den ersten Eisfeldern geschafft, bis er mit den letzten Sonnenstrahlen auf der Hütte ankommt.
Mit einem Durcheinander der verschiedensten Sprachen wird man begrüßt: Deutsch, polnisch, französisch, englisch, spanisch. Man weiß gar nicht, wie man sein Gegenüber ansprechen soll: „Holá“ ist auf jeden Fall nicht falsch. Die Wanderer drängen sich dicht an dicht in der Küche. Draußen ist die Temperatur auf knapp über Null Grad gesunken, drinnen möchte sich jeder mit einem heißen Tee oder eine Suppe aufwärmen. Im Gegensatz zu anderen Berghütten wie beispielsweise in den Alpen sind die Zimmer beheizt und es gibt richtige Bettdecken statt nur dünner Schlafsäcke.
Höhenkrankheit als ständige Gefahr
Der Wecker reißt einen aus dem unruhigen Schlaf: Auf 3200 Meter kriegen die ersten Wanderer Kopfschmerzen, die Höhe macht sich bemerkbar. Ausgestattet mit Stirnlampen machen sich die Abenteuerlustigen kurz nach 5 Uhr morgens auf den Weg zum Gipfel. Es ist noch stockdunkel, doch der Mond leuchtet in der sternenklaren Nacht auch denjenigen den Weg, die ohne Lampe loslaufen. Schnell lässt man die Hütte hinter sich. Vor einem schrauben sich die Wanderer wie Glühwürmchen den felsigen Steig hinauf. In der Ferne im Tal sieht man das Konglomerat der Hauptstadt Santa Cruz de Tenerife glitzern. Man fühlt sich wie in einer anderen Welt: Unten das flackernde Leben, oben eingefrorene Zeit: Kein Geräusch ist zu hören, man stapft vorbei an Eisfeldern, der Mond bescheint schwarze Lavaformationen und sorgt für ein unwirkliches Gefühl: „Gehe ich hier wirklich entlang oder träume ich das?“ Am östlichen Horizont erkennt man im Dunst die Nachbarinsel Gran Canaria, aus dieser Richtung erkennt man auch erste Anzeichen der Dämmerung: Blaue Schlieren, die sich vom Dunkel des Nachthimmels absetzen. Bald verblassen die Sterne, von Marine- bis Azurblau wechselt der Himmel über den Kanaren seine Farbe. Und dann: Mit einem Reigen an rosavioletten Pastellfarben geht die Sonne auf und vertreibt das surreale Gefühl der Nacht.
Die Anstrengung fällt ab, was jetzt zählt ist: Der Abstieg – und endlich ordentlich frühstücken.