Wer den hohen Norden der britischen Insel entdecken will, ist in den West Highlands genau richtig. Berge und Meer: Was will man mehr? Zu Besuch in Oban, dem Tor zu den Südlichen Hebriden.
Der Zug gewinnt an Fahrt, und an Höhe. Links aus dem Fenster glitzert Loch Lomond in der Sonne. Rechts leuchtet gelber Ginster vor dem tiefblauen schottischen Sommerhimmel. Rätätätä, macht der Zug. Wäre das eine Melodie, hätte der oder die Komponist/in auf der letzten Note einen Akzent gesetzt, um sie zu betonen. Jetzt, wo es langsam Richtung Highlands geht, kommt der Zug ins Schwitzen. Woran man übrigens erkennt, dass man in einem britischen Zug sitzt? Es gibt Porridge „to go“.
Knapp 4 Stunden dauert die Fahrt von Edinburgh nach Oban an der Westküste Schottlands. Einmal muss man quer durchs Land. Und es lohnt sich! Oban ist das Tor zu den Inseln der „Southern Inner Hebrides“. Im Minutentakt setzen die Fähren ab, Richtung Mull, Lismore oder zu den entfernteren Inseln Coll und Tiree oder sogar nach South Uist. Sie alle müssen durch den „Sound of Mull“.
Viele Inseln haben eins gemeinsam: Die zahlreichsten Bewohner sind – Schafe. Sie scheinen jeden Quadratmeter zu bevölkern, tauchen aus tiefem Gras auf, beäugen einen misstrauisch oder blöken sich gegenseitig etwas zu. Ginster, Iris und wilde kleine Orchideen runden das idyllische Bild ab. Es ist Juni. Seit drei Wochen hat es hier in Westschottland an der Küste kaum geregnet, die Einheimischen können es nicht fassen. Während Mitteleuropa mit Fluten zu kämpfen hat und Gewitter über das Festland ziehen, scheint der Norden Großbritanniens ein Hort an Lieblichkeit.
Im Gebirge herrschen eigene Wettergesetze
Aber Schottland kann auch anders. So schön es sich an der Küste zeigt, so rau und wirsch offenbaren sich die Berge dem/r Wanderer/in. Wolkenberge türmen sich innerhalb von Minuten auf, schon erscheint der erste Blitz am Horizont. Und schon bald prasselt der Regen nieder. Das Wetter in den Highlands ist unberechenbar, die Berge haben ihr eigenes Klima. Dort kann man immer von Gewitter oder Sturm überrascht werden. Und es sterben immer noch Kletterer, wie kürzlich in Glen Coe.
Meine Tour startet in Dalmally, einem kleinen Ort am Fuße der Highlands. Eine Häuserreihe schmiegt sich um den Bahnhof, im Hintergrund ragen die Berge empor. Jedes zweite Haus ist „to let“, zu verkaufen. Hier möchte kaum jemand freiwillig wohnen. Einige Schulkinder kommen mit einem Sonderzug aus Oban an.
Der Fahrer des Schulbusses, der gleichzeitig auch Elektriker für die Gemeindeverwaltung ist, wartet geduldig auf ihre Ankunft. Er macht seinen Job als Schulbusfahrer aber gerne zusätzlich: „It’s always a good laugh“ mit den Kindern, meint er grinsend. Er kann es irgendwie nachvollziehen, dass so viele Menschen wegziehen. Lediglich einen kleinen Supermarkt gebe es hier, erklärt er. Für alles andere muss man weiter weg.
Dabei war Dalmally einmal ein bedeutender Ort. Hier war Endstation der Zugstrecke von Edinburgh. 1877 eröffnet, mauserte es sich zu einem Touristenhotspot. Früher. Akribisch listet eine Chronik Daten und Ereignisse auf. „1909: Dalmally is thriving, it even has got its own jewellery shop“, heißt es stolz. Auch die Namen der Bahnhofsvorsteher sind detailliert notiert. Man erfährt, dass 1931 Peter Gow Dalmally verlassen hat, John Walker wurde sein Nachfolger. Auch die Zeitungen haben über den Ort berichtet. 14th May 1927: „A traveller dies smoking in the waiting room“, berichtet die Zeitung. Doch die Zugstrecke wurde nach Oban verlängert, seit dem versinkt Dalmally in Bedeutungslosigkeit.
Mittlerweile ist Oban das Zentrum der Region. Und punktet mit einer der beiden letzten Destillerien in den West Highlands. Wer live erleben will, wie Single Malt Whisky hergestellt wird, ist hier am richtigen Fleck. Und sowieso: Verhungern und verdursten kann man in Schottland nicht. Auch wenn die Rafinesse des Essens durchaus in Frage gestellt werden kann. Burger und Pommes, mit deren Verzehr man gleichzeitig einen halben Liter Speiseöl zu sich nimmt, ist nur ein Beispiel, das das Klischee durchaus bestätigt, dass man nach Großbritannien nicht der kulinaischen Genüsse wegen kommt.
Eins aber können die Schotten wie die Engländer auch: Sweets! Ob die klassischen Scones mit getrockneten Früchten, Marmelade und Sahne, Gebäck oder Nougathäppchen. Wer gerne Nachtisch isst, kommt hier auf seine Kosten. Enjoy!
Grüne, saftige Wiesen gibt es ebenfalls in Irland. Dort war ich vor einigen Jahren, bin über Dublin und Limerick nach Galway gereist. Wonderful!
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