Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat geurteilt: Es kommt keine Helmpflicht für Fahrradfahrer. Unfallopfer erhalten die volle Entschädigung.
Die Spekulationen schossen in den letzten Tagen ins Kraut: Kommt „durch die Hintertür“ die Helmpflicht für Fahrradfahrer? „Spannung vor BGH-Urteil“ schrieb der Stern Online. Und es ist tatsächlich eine Frage, die die Gemüter bewegt. Häufig ist es eine Frage der Ideologie: Auf der einen Seite die einen, die die Sicherheit und Gesundheit hochhalten und ihnen alles unterordnen wollen, auf der anderen Seite die anderen, die auf ihre persönliche Freiheit pochen.
Der Fall machte Schlagzeilen: Eine Fahrradfahrerin in Flensburg war auf dem Weg zur Arbeit, als sie über eine sich öffnende Autotür stürzte und mit dem Hinterkopf auf dem Boden aufschlug. Schädelbruch, Blutungen und Hirnquetschungen waren die Folge. Die Versicherungen wollte anfangs nicht die volle Versicherungssumme zahlen: Die Fahrradfahrerin hätte eine Teilschuld, da sie keinen Helm trug.
Der Fall landete vor dem Bundesgerichtshof. Der urteilte heute: Der Geschädigten steht die volle Summe zu. Das Gericht bestätigte, dass sich die Fahrradfahrer in Deutschland entscheiden können, ob sie einen Helm tragen wollen oder nicht. Es wird auch in Zukunft keine Helmpflicht geben.
Das Manager Magazin zitiert den Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) wie auch den Verkehrsclub Deutschland (VCD), die sich „erfreut“ zeigen: „Wenn ein Radfahrer vollkommen unverschuldet Opfer eines Verkehrsunfalls wird, dann darf ihm niemand seine berechtigten Schadenersatzansprüche streitig machen – egal, ob mit oder ohne Helm gefahren wurde“, erklärte ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork. Auf Spiegel Online sagt Verkehrsminister Dobrindt: „Wir glauben, dass die Freiwilligkeit der richtige Weg ist.“
Viele Radfahrer, die im Helm eine lästige Kopfbedeckung sehen, werden aufatmen. Niemand schreibt ihnen vor, einen Kopfschutz aufzusetzen. Auf der anderen Seite sollte jedem Fahrradfahrer klar sein, dass man bei einem Unfall mit Helm viel bessere Chancen hat als ohne. Der beste Weg: Die Städte sicherer machen für Fahrradfahrer. Solange sich Fußgänger und Radfahrer einen schmalen Bürgersteug teilen müssen, solange Auto und Radfahrer nicht genügend Platz haben, um auszuweichen, wird es nach wie vor viele Unfälle geben.
Sicherheit für Radfahrer ist auch Priorität bei der „Fahrradhauptstadt 2020“. Das Projekt läuft zurzeit in Bonn, die ehemalige Bundeshauptstadt möchte die bestehenden Radwege optimieren, das Radnetz ausbauen, von Vorrangschaltungen für Radfahrer ist die Rede. Ob dieses Projekt in Bonn so weitergeführt wird, ist unklar: Bündnis ’90 / Die Grünen haben das in ihr Kommunalwahlprogramm geschrieben, die FDP Bonn lehnt dies ab. Im Falle einer Jamaika-Koalition im Bonner Stadtrat bleibt es auch für Radfahrer spannend.