Wann ist man Feministin? Der Streit um „kinderfreie“ Frauen

Wann ist man eine Feministin? Wie sieht echte Gleichberechtigung aus? Artikel über Wie-teilen-sich-deutsche-Paare-die-Hausarbeit und psychologische Analysen füllen schon lange Online-Magazine und Zeitungsseiten, schmachtende Blicke gehen in Richtung der skandinavischen Länder, die bei so vielem Vorbild sind. Doch spätestens seit Orna Donaths „Regretting Motherhood“ rückt in der Debatte um Gleichberechtigung immer mehr ein Aspekt in den Fokus: Feminismus wird mit der Frage nach Fortpflanzung verquickt.

Sprich: Immer mehr wird hinterfragt, ob und inwiefern sich Feminismus und Fortpflanzung bedingen oder vereinfacht gesagt: „Bin ich nur feministisch, wenn ich keine Kinder habe?“ Diese Frage in dieser Radikalität stellt gerade Verena Brunschweiger, eine 38-jährige Gymnasiallehrerin, die ein Buch „Kinderfrei statt kinderlos – ein Manifest“ herausgebracht hat.

Im Spiegel-Interview wird Brunschweiger gefragt, ob Frauen, die gerne Mutter sind, keine Feministinnen seien. Die 38-Jährige antwortet darauf: „Wenn mir eine Mutter sagt, dass sie Feministin ist, dann kann sie das gern von sich meinen, aber ich würde das anders sehen. Viele Mütter denken, sie seien Feministinnen. Für mich bedeutet Feminismus, jeglichen patriarchalen Imperativ abzulehnen. Das heißt: Feministin ist die, für die Mutterschaft nicht infrage kommt.“

Sind Haltung oder Merkmale entscheidend?

Dass Verena Brunschweiger zu diesem Schluss kommt, finde ich abwegig. In meinen Augen bedeutet „Feministin sein“ eine Haltung, die nicht an Merkmalen wie kinderlos oder kinderreich festzumachen sind. FeministInnen sind Frauen und ja, auch Männer, die für eine Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern kämpfen, die sich dafür einsetzen, dass Frauen nicht schlechter oder ungerechtfertigt anders behandelt werden als Männer. So simpel ist das. Ob die Frau oder der Mann ein Kind in die Welt gesetzt hat, finde ich für die Frage nach Gleichberechtigung völlig unerheblich.

Ja, es stimmt, dass es als Mutter oder Vater ungleich schwerer ist, eine gleichberechtigte Beziehung zu führen. Häufig genug werden ehemals feministische Ansprüche Opfer von Pragmatismus und äußerlichen Zwängen. Immer noch sind gerade Mütter die Leidtragenden durch unzureichende und unflexible Betreuungsangebote und ihre Entscheidung, viel häufiger in Teilzeit zu arbeiten als Väter. Ich sehe aber die Bringschule eher bei der Gesellschaft und der Politik: Sie muss dafür sorgen, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Frauen und Männer ein gleichberechtigtes Leben führen können. Die Hände in den Schoß legen und die Politik für das eigene Leben verantwortlich machen, geht auf der anderen Seite natürlich auch nicht. Man muss ein gleichberechtigtes Leben auch wollen und bereit sein, dafür Opfer zu bringen.

Aber es kann nicht sein, dass Frauen sagen müssen: Wenn ich mir meine Freiheit und meinen Feminismus erhalten möchte, kann ich keine Kinder bekommen. Es muss doch beides gehen: Familie und Karriere, Feminismus und Mutterschaft.

An der Entwicklung der Diskussion in den vergangenen Jahren kann man allerdings ablesen, dass inzwischen immer häufiger das Kinderkriegenmüssen thematisiert wird. Es ist gut, dass verstärkt gestritten wird: Muss jede Frau Kinder bekommen wollen, findet jede Frau (und letztendlich muss man sich auch fragen: Jeder Mann?) zwingend Erfüllung im Mutterdasein (oder Vaterdasein)? Dass zurzeit immer mehr Bücher auf den Markt kommen, die sich damit beschäftigen (zum Beispiel das Buch der kanadischen Autorin Sheila Heti „Mutterschaft“, das im Februar auf deutsch veröffentlicht wurde) zeigt, dass hier eine ganz essentielle und heikle Frage angegangen wird. Liebe FeministInnen, diskutiert gerne weiter so: Gerade Deutschland mit seiner immer noch sehr konservativen Haltung zu Geschlechterthemen (man denke nur an Annegret Kramp-Karrenbauers unterirdischen Witz über das dritte Geschlecht an Karneval) tun solche Diskussionen gut.

Für mich ist der Fall klar: Ich bin für Gleichberechtigung, gegen jede Form von Unterdrückung (ob Patriarchat oder Matriarchat), also bin ich Feministin – ob ich jemals ein Kind bekommen werde oder nicht.

Kampf gegen die biologische Uhr – Trend Social freezing

Facebook tut’s, Apple zieht nach: Die Firmen bereiten ihren weiblichen Mitarbeiterinnen das Angebot, Eizellen einfrieren zu lassen. Im Gegenzug verzichten die Frauen in den nächsten fünfzehn Jahren darauf, Kinder zu bekommen. Die Diskussion um das Thema nimmt an Fahrt auf: Der Spiegel und die Zeit druckten persönliche Berichte von Frauen, die sich bereits Eizellen einfrieren haben lassen, heute diskutiert die Runde bei Günther Jauch über das Thema.

Der Vorteil liegt auf der Hand: Frauen können viel flexibler mit ihrer tickenden biologischen Uhr umgehen, man kann über die Elternzeit „frei und selbstbestimmt“ entscheiden und diese dementsprechend planen. Aber was macht das mit dem Kinderwunsch? Kinderkriegen würde der Wirtschaft untergeordnet, bemängelt der Wissenschaftsjournalist Rangar Yogeshwar in der Talkrunde bei Jauch.

Aber kein Wunder – solange Beruf und Karriere mit der Gründung einer Familie schwer vereinbar ist, sind solche Angebote verlockend. Flexible Teilzeitmodelle, je nach Bedürfnis der Eltern, sind immer noch häufig schwer durchzusetzen beim Arbeitgeber. Und auch solange der jeweilige Elternteil (meist sind es Frauen) nach der Teilzeitarbeit immer noch befürchten müssen, schwer wieder Fuß zu fassen im Arbeitsmarkt, kann man die Gründe der Frauen, die sich für das Social Freezing entscheiden, nachvollziehen.

Zeit-Redakteurin Elisabeth Niejahr, die in der Zeit über ihre Erfahrungen beim Einfrieren geschrieben hat, mahnt auch an, dass die fortschrittlichen Möglichkeiten nicht immer zur persönlichen Freiheit beitragen. Denn folgendes Szenario wäre denkbar: Social Freezing wird irgendwann so normal, dass man es von Frauen erwartet und sich auch darauf verlässt, möglicherweise entsteht daraus gesellschaftlicher oder persönlicher Druck.

Meine Meinung: Wo liegt letztendlich der Unterschied zwischen dem Einfrieren von Eizellen und beispielsweise der Einnahme der Pille? In beiden Fällen manipuliert der Mensch den natürlichen Zeugungsakt und unterwirft ihn seinen Wünschen und Vorstellungen. Das Argument, dass man die Zeugung künstlichen Parametern unterwirft, ist doch in unserer ach so fortschrittlichen Welt nichts Neues. Denn was ist schon natürlich? Wenn eine Person herzkrank ist und ein neues Herz eingepflanzt bekommt: Ist das natürlich? Niemand würde doch behaupten, dass dem herzkranken Menschen nicht geholfen werden soll, nur weil eine Organtransplantation kein natürlicher Prozess ist. Insofern trägt die Aufregung über dieses Thema durchaus heuchlerische Züge. Ranga Yogeshwar sieht den Unterschied zwischen Pille und Social Freezing lediglich darin, dass die Pille viel günstiger und sicherer ist. Er bemängelt, dass daraus ein riesen Geschäft werden könnte. Stimmt, das Potenzial zum Missbrauch ist groß. Allerdings kann das alleine noch kein Argument sein.

Recht hat der Journalist allerdings damit, dass man niemals leichtfertig mit diesem Thema umgehen sollte und dass man so intime und persönliche Entscheidungen niemals der „Wirtschaftlichkeit“ bzw. der Wirtschaft unterordnen sollte. Das Beste wäre einfach: An der Vereinbarung von Kinderwunsch und Beruf arbeiten, mehr flexible Arbeitsmodelle, reduzierte Elternzeiten wie in Skandinavien auch hier einführen, damit sich auch junge Paar für ein Kind entscheiden, ohne Angst um ihre Karriere zu haben. Dann wäre auch die Diskussion um Social Freezing überflüssig.