DFB-Pokalfinale in Köln: Jetzt kicken die Frauen

Freitagnachmittag am ersten Mai: Durch den Kölner Stadtwald streifen Familien mit Kindern, vor dem Müngersdorfer Stadion spielen Jugendliche in der Sonne Fußball. Es herrscht eine entspannte Frühlingsstimmung. Plötzlich durchbricht eine schrille Stimme die Atmosphäre.

IMG_20150501_172252„Gebt mir ein D! Gebt mir ein F! Gebt mir ein B!“ Eine Mädchentruppe marschiert Richtung Stadion, die blonde Vorturnerin gibt alles. Die anderen schmettern mit Elan die restlichen Buchstaben. Nein, das ist keine paramilitärische Übung für angehende Soldatinnen. Am 1. Mai findet im Kölner Stadion das DFB-Pokalfinale der Frauen statt. Turbine Potsdam tritt gegen den VfL Wolfsburg an. Anfangs ignoriert, lange belächelt, hat sich der Frauenfußball seine Nische erkämpft. Als 2006 mit dem Sommermärchen eine Fußball- und Fanwelle übers Land gerollt ist, konnte der deutsche Frauenfußball im Schatten der Männer segeln und Fahrt aufnehmen. Wussten davor die meisten Bürger gar nicht, dass Frauen die Pille nicht nur schlucken, sondern auch kicken, hat sich der Frauenfußball seine Fanzahlen und somit auch Aufmerksamkeit erkämpft. Das DFB-Pokalfinale symbolisiert diese Entwicklung: Kämpften die Frauen bis 2010 im Vorprogramm der Männer in Berlin um die Trophäe, haben sie seitdem ihre eigene Tribüne in Köln. Gerade erst wurde der Vertrag mit dem Rheinenergiestadion bis 2018 verlängert.

Kaffee statt Bier: Das bei einem Fußballspiel!

Eine Stunde bis zum Anpfiff. Noch hält sich der Andrang in Grenzen. Einer der Sicherheitsleute lehnt lässig an einem Pfosten, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Offensichtlich gab es noch nicht viel zu tun heute. Am Eingang wird es voller, die Menschen schieben sich durch die Eingänge und stehen Schlange. Viele Familien sind unterwegs. Frauen und Mädchen sind eindeutig in der Mehrheit. Der klassische Fußballfan mit Fantrikot und Bier: Fehlanzeige. Zwei junge Männer ergattern noch zwei Karten. Die beiden kann man sich gut im Stadion vorstellen. Sind sie echte Fans? Von Frauenfußball? Fehlanzeige: Es sind keine Fans, nur verirrte Touristen aus Belgien, die sich das Stadion anschauen möchten und etwas Atmosphäre vom Event mitnehmen möchten. Passenderweise sind die gerade auf einer „divorce party“ – eine höhere Frauendichte würden sie auch in einem Kölner Club nicht finden.

Ein wenig verloren und unentschlossen steht ein älteres Paar vor dem Stadion. Der grüne Schal um den Hals des Mannes weist die beiden als Wolfsburgfans aus. Das Paar scheint nicht genau zu wissen, wo es hin muss. Warum es hier ist, umso mehr. Martina Müllers Eltern sind extra aus Kassel angereist, um ihre Tochter zu unterstützen. Heute ist das Spiel etwas ganz Besonderes: Die 35-jährige Fußballspielerin hatte ihren Rücktritt angekündigt: Nach dieser Saison ist Schluss mit der Fußballkarriere – nach zehn Jahren bei VfL Wolfsburg und nach 101 Länderspielen für die DFB-Auswahl. „Es war überraschend“, bekennt Mutter Karin. Doch es hätte ja irgendwann kommen müssen. Zu den Gründen möchten sich die Eltern nicht äußern, aber naja, das Alter, deutet die Mutter an, man möchte sein Leben leben. „Jetzt ist ein guter Zeitpunkt“, hat sich Martina Müller dem DFB gegenüber geäußert. Sie sei froh, dass sie ihre Entscheidung nun getroffen habe. „Ich kann mein Leben neu ordnen und den Fokus auf Dinge legen, die in den letzten Jahren durch den Sport zu kurz gekommen sind.“

Es wird eine gute Saison zum Aufhören sein: Das DFB-Pokalfinale wird als einer der fulminanten Mosaiksteine in ihrer Karriere in Erinnerung bleiben. Zwei von drei Toren werden auf ihr Konto gehen. Müller wird ihrem Verein so zum zweiten Mal Pokal sichern.

Die Potsdamerinnen verlassen das Spielfeld. Sie haben gekämpft und alles gegeben, doch Wolfsburg war einfach die bessere Mannschaft.
Die Potsdamerinnen verlassen das Spielfeld. Sie haben gekämpft und alles gegeben, doch Wolfsburg war einfach die bessere Mannschaft.

Die Ränge füllen sich langsam: An die 20.000 Menschen sind gekommen, um sich das DFB-Finale anzuschauen. Immerhin – allerdings kein Vergleich zu den Männerspielen. Die kompletten oberen Ränge bleiben leer, die Haupttribünen ist mit Lücken durchsetzt wie ein Schweizer Käse. Der Pokal wird auf das Spielfeld getragen, ein kurzes Blitzlichtgewitter geht über der Trophäe nieder. Die Bitburgerwerbung an der Bande wirkt seltsam, es nuckeln mehr Leute an einem Becher heißen Kaffee als an einem kühlen Bier. Trotz 20 Grad in der Sonne. Die ersten Klatschpappen werden als Sonnenschutz umfunktioniert. Der Nachbar zieht sich eine Käppi auf. Und da: Es gibt sie noch – die Eisverkäufer, die im roten T-Shirt durch die Ränge laufen und Eis am Stil verkaufen. Die Teams laufen ein. Anpfiff. Es geht los.

Auf dem Rasen stehen und laufen nur Frauen, Männer sieht man nur am Spielrand

Die Teams schenken sich nichts. Drei gelbe Karten vergibt die Schiedsrichterin, die genau wie ihre Linienrichterinnen eine Frau ist. Männer gibt es nur in Gestalt von Trainern, Ärzten oder den beiden Helfern, die in der Halbzeitpause mit einer überdimensionierten Harke den Rasen abtasten, um herausgerissene Erdklumpen aufzusammeln und den Rasen zu glätten.

In der 15. Minute ist es da: Das erste Tor. Von Martina Müller, wem sonst. Die Zuschauer jubeln, es gibt das erste Mal so etwas wie Stimmung im Stadion. Man hat den Eindruck, dass viele für beide Mannschaften jubeln, es gibt nicht diese Rivalität wie bei den Männern. Macht das ein Männerspiel mitreißender und emotionsgeladener? Ein Elfmeter für Vfl Wolfsburg: Wieder verwandelt Müller. Die Atmosphäre im Stadion erinnert leicht an eine EKG-Frequenz: Spitzen mit Jubel wechseln sich mit Phasen des Ich-schau-mal-auf-meinem-Smartphone-nach-was-sich-gerade-bei-Facebook-tut ab. In der 70. Minute rennt ein Flitzer über den Rasen. Es ist ein Mann (sollte man diese Tatsache erwähnen?). Die Spielerinnen sind irritiert, ein Securitymann rennt dem Flitzer hinterher, doch der hängt den schnaufenden Sicherheitsmann im Anzug locker ab. Erst als sich vier Männer auf ihn stürzen, wird er festgenommen und abgeführt. Er hatte noch nicht einmal eine Botschaft, nackt war er auch nicht. Belustigt sind die Zuschauer trotzdem. Die Stimmung wird richtig gut, die ersten La-Ola-Wellen gehen herum. Viel Applaus gibt es auch, als die Moderatorin die Zuschauerzahl verkündet: 19.204 Menschen wollen sich an diesem Feiertag das Spiel ansehen. 89. Minute: Vfl Wolfsburg führt mit 3:0, die Potsdamerinnen sind ihrem Gegner hoffnungslos unterlegen, trotz Kampfeswillen und Teamgeist. Martina Müller wird ausgewechselt. Applaus begleitet die 35-Jährige, die beruflich beim VW-Konzern einsteigen möchte, vom Spielfeld. Ihre Eltern werden mächtig stolz sein. Die Schiedsrichterin pfeift ab. Die Wolfsburgerinnen lassen sich noch ein bisschen feiern, die Zuschauermenge zerstreut sich erschreckend schnell. Ein Frauenfußballspiel läuft (noch) anders ab als beim männlichen Pendant. Wer weiß, wie lange noch.

Die Stimmung beim DFB-Pokalfinale der Frauen ist gut. Doch es fehlt die emotionsgeladene Stimmung, die bei Männerspielen häufig herrscht. Doch es gibt auch Vorteile: Das Aggressive fehlt, keine Mannschaft wird ausgebuht.
Die Stimmung beim DFB-Pokalfinale der Frauen ist gut. Doch es fehlt die emotionsgeladene Stimmung, die bei Männerspielen häufig herrscht. Doch es gibt auch Vorteile: Das Aggressive fehlt und keine Mannschaft wird ausgebuht.

Köln (nicht nur) für Anfänger

Jeder kennt das Phänomen: Man wohnt in (oder in der Nähe) einer Stadt, fährt tagtäglich die gleiche Strecke ab, kommt aber nie dazu, sich intensiver mit ihrer Geschichte zu befassen oder einfach mal einen Blick hinter ihre Kulisse zu werfen. Wer jetzt nickt und sagt: „Ja, kenn ich“ und wer aus Köln oder Umgebung kommt, dem sei die One-Woman-Kabarettshow von Marina Barth ans Herz gelegt. „Köln (nicht nur) für Anfänger“ heißt das Stück, das im Kabarett Klüngelpütz in der Gertrudenstraße läuft. Mit Witz & Charme (ja, das klingt jetzt abgedroschen, trifft aber in diesem Fall zu!) ergründet die Schauspielerin die kölsche Seele und das kölsche Alltagsleben (musikalisch unterstützt von Joachim Jezewski). Wer sich schon immer gefragt hat, wie der „kölsche Klüngel“ entstanden ist, der ist im Programm richtig. Scharfsinnig analysiert und hinterfragt Barth das „man kennt sich – man hilft sich“, das die Stadt am Rhein so berühmt gemacht hat (leider in negativer Hinsicht).

Ein Streifzug durch die Kölsche Geschichte und Kultur

Barth nimmt außerdem berühmte Kölner Persönlichkeiten auf die Schippe, ob den in Köln allgegenwärtigen Alfred Neven DuMont oder die Bankiersfamilie Oppenheim. Auch der ungeliebte und glücklose Kardinal Meisner kriegt sein Fett weg. Zur Legende des Kölnisch Wasser 4711 sagt sie nur: „Die Kölner erzählen sich so lange eine Geschichte, bis sie sie selber glauben. Das nennt man ,verifizieren’.“ Weiter geht es querbeet durch die Römerzeit, den Karneval und natürlich dürfen auch die KVB-Kontrolleure in diesem Kabarettstück nicht fehlen: Was wäre Köln ohne seine Verkehrsbetriebe?

Marina Barths gesangliche Einlagen sind charmant und amüsant, trotz einige Tonunsicherheiten, die man ihr aber gerne verzeiht. Wenn man nach diesem höchst amüsanten Abend in dem kleinen, etwas ranzigen, aber gemütlichen Etablissement, dessen rote Stühle und Teppich den Charme vergangener Tage verströmen (das aber auch irgendwie was von Studenten-WG hat), durch Köln fährt, wird man die Stadt mit anderen Augen sehen: Vermutlich werdet ihr sie noch mehr lieben als zuvor!