Im neuen Tatort geht es um die Wurst

Der erste Tatort-Krimi mit Christian Ulmen und Nora Tschirner flimmerte an Weihnachten zur besten Fernsehzeit über den Bildschirm.

Das Jahr 2013 war eine Goldgrube für Tatort-Fans. Gleich drei neue Kommissar-Teams wurden eingeführt: Till Schweiger in Hamburg, das Duo Funck/Schaffert in Erfurt und nun Christian Ulmen als Kommissar Lessing und Nora Tschirner alias Kommissarin Kira Dorn. In den Medien wurde im Vorfeld die Rivalität zwischen dem Münsteraner und dem neuen Tatort aus Weimar beschworen. Eins vorneweg: Thiel und Boerne brauchen sich nicht zu verstecken. Mit reichlich flachen und albernen Witzen geht das neue Team an den Start.

Es geht um eine verschwundene Wurstfabrikantin in Weimar. Der hochschwangeren Kommissarin Kira Dorn wird ein neuer Kollege aus Hamburg zur Seite gestellt: Christian Ulmen spielt die Rolle des Kommissars Lessing, wie man ihn kennt – verpeilt, spontan, charmant unverblümt.

Nora Tschirner wurde vom Drehbuchautor allerdings mit zu viel des Guten bedacht: Ihre Figur geht dem Zuschauer nach einiger Zeit reichlich auf die Nerven mit ihren ironischen Bemerkungen. Fast möchte man feixen, als eine Beschuldigte die trostlose Schulzeit des ehemaligen hässlichen Entleins aufdeckt.

Es gibt aber auch ehrlich amüsante Szenen, beispielsweise als der Einsatzleiter nach der gespielten Geiselnahme seine Kollegen schilt: „Die Pizza war von Mykonos? Das nächste Mal kein Risiko eingehen, demnächst von Mario!“ Oder als Lessing halbherzig ausprobiert, ob er in den Kofferraum passt und sich ein saftiges „Nicht so halbschwanger, Lessing, mehr seitlich!“ von seiner Kollegin einfängt. Diese Szenen sind aber leider deutlich in der Minderzahl.

Verfolgungsjagd per Kutsche statt mit Auto: In Weimar ticken die Uhren eben noch anders

Weimar rückt mir dieser Ehre auf in den deutschen Fernseholymp. Allerdings sind die Produzenten selber unsicher, ob dieses Städtchen (knapp 66.000 Einwohner) das verdient hat. So wird Weimar den gesamten Film hindurch als provinziell dargestellt. Jeder kennt hier jeden und weiß auch alles über seine Mitmenschen. Das führt zu skurrilen Kommentaren. Dorn und Lessing observieren eine Verdächtige: „Das ist die Ex von meinem Bruder“, weiß die Kommissarin zu berichten und fügt ganz nebenbei hinzu: „Sie hat die Lampe gemacht, die auf meinem Schreibtisch steht.“ Die Welt ist ein Dorf – und Weimar erst recht.

Interessant und erwähnenswert sind noch die ständigen Anspielungen auf die Serie. Abgesehen davon, dass die Tote sich einen ruhigen Abend hatte machen wollen und den Tatort schauen wollte, ertönt häufig als Hintergrund eine Variante der Titelmelodie. Selbstreferenzialität ist zwar kein absolutes Novum bei den Tatortfilmen, aber so deutlich wie in dieser Episode gab es das noch nie.

Mein Fazit: Unterhaltend und mit einigen guten Witzen. Dennoch kann ich die Lobhudelei des Spiegels („strahlende Dialoge“, „Trumpf) nicht nachvollziehen. Das neue Team muss sich die prominente Sendezeit eindeutig erst verdienen.

Hier geht’s zum Spiegel-Artikel: http://www.spiegel.de/kultur/tv/weimar-tatort-mit-christian-ulmen-und-nora-tschirner-a-938885.html.

Erster Tatort mit Schweiger als Kommissar

Die Story ist nicht neu: Eine Bande Verbrecher zwingt minderjährige Mädchen zur Prostitution. Doch der Protagonist ist neu: Til Schweiger hat die Rolle als Tatort-Kommissar Nick Tschiller in Hamburg übernommen. Premiere war am 10. März.

Um einen ersten Eindruck von der Figur des neuen Kommissars zu erhalten, muss man sich nur das erste Wort, was nach Beginn des Tatorts aus seinem Mund kommt, anhören: „Fuck“ sagt Tschiller – und vermöbelt erst einmal einen Zuhälter mit einem Toaster. Das Schimpfwort soll sich im Laufe des Films (in diversen Varianten) noch wiederholen. So erkennt der Zuschauer oder die Zuschauerin innerhalb der ersten fünf Minuten, wie die Figur gestrickt ist und wie hoch das Tempo des mit Spannung erwarteten neuen Tatorts sein wird.

Der erste Eindruck hält sein Versprechen: Die Drehzahl dieser 90 Minuten ist extrem hoch, Super-Schweiger ist ständig in Aktion: Verfolgt zu Fuß einen Bus, zerschlägt mal eben die Scheibe und rettet so ein Mädchen aus einem Bus voller Gangster. Ein andermal wird er überwältigt und sieht sich nach dem Aufwachen mit einer Leiche in der Badewanne und selber an den Haltegriff gefesselt konfrontiert. Eine Bombe zählt die Sekunden runter. Selbstverständlich rettet sich Superkommissar Schweiger locker aus dieser brenzligen Situation – und die Leiche direkt mit. Bei Til Schweiger muss es immer eine Nummer härter sein. Die Story könnte auch aus anderen Tatorten stammen, doch viele Szenen sind spannungsgeladener, komprimierter, durchaus auch brutaler als der Durchschnittstatort. Und Schweiger geht offensichtlich in der Rolle des toughen und knallharten Workaholic, der Alleingänge macht und sich nicht in übliche Arbeitsstrukturen einfügen will, auf.

Super-Schweiger in Aktion: Verfolgungsjagden und Schießereien wechseln sich ab

Dazwischen muss sich Til Schweiger alias Nick Tschiller noch um seine pubertierende Tochter mit all den Teenager-Schikanen kümmern, gleichzeitig eine Zeugin beschützen und eine wütende Staatsanwältin besänftigen.

Einige Szenen entbehren nicht eines gewissen Humors (wenn auch auf völlig anderem Niveau als z.B. des Münsteraner Tatorts): Schweiger Tochter erzählt vom Anruf der Mutter. Diese hätte gefragt, ob die Tochter es schon bereue, zu ihm gezogen zu sein: „Ich hab ihr erzählt, dass du mir jeden Tag ein weiches Ei kochst.“ In der nächsten Situation sitzt sie am Frühstückstisch und schlägt ihr Ei auf – prompt spritzt das flüssige Innere über den ganzen Tisch.

Schweiger spielt seine Rolle als knallharter Cop auf kitschig-brutale Weise. Trotz der extrem actiongeladenen und temporeichen Szenen (oder gerade deswegen?) ist es ein sehr unterhaltsamer Tatort. Und es ist ja nicht so, als würden bei anderen Tatortfolgen nicht auch grausame oder krasse Szenen gezeigt. Den einfühlsamen Vater oder Beschützer kann man Schweiger aber in keinster Weise abnehmen.

Über 12 Mio. ZuschauerInnen sehen Schweigers Tatort

Die ZEIT schreibt über Schweiger, er habe „die schönsten Schrammen der ARD“ und kann sich vor Lob gar nicht mehr retten: „Til Schweiger brilliert als Action-Star. Im Tatort zeigt er sich aber als das, was es in Deutschland eigentlich gar nicht gibt: Als verdammt guter, grober, lässiger Action-Star.“ Na na, möchte man rufen, jetzt mal nicht übertreiben. Ja, es war ein spannender Film, aber das Rad hat Schweiger keineswegs neu erfunden. Und hatte er so etwas in der Art – eine „Neuinterpretation“ – nicht angekündigt?

Schweigers Tatort schert nicht komplett aus der Reihe vorangegangen Tatortfolgen aus, was Story oder Kameraführung angeht. Es geht bei ihm nur deutlich actionreicher zu als bei anderen Tatorten. Unterhaltsam, aber die erhoffte „Neuinterpretation“ ist ihm nicht gelungen.