Plastikfrei: Mein erstes Mal im Unverpacktladen Tante Olga

Das so genannte Klimaschutzpaket ist durch (lame! viel zu schwach und wirkungsfrei!), alle Welt redet von Greta Thunbergs Auftritt in New York bei den Vereinten Nationen, zero waste ist in aller Munde – höchste Zeit, dass ich mein plastikfreies Herz entdecke und einen der Unverpacktläden ausprobiere. Mir am nächsten ist Tante Olga in Köln-Nippes, bereits der zweite Ableger nach dem gleichnamigen Geschäft in Ehrenfeld.

Gerüstet mit acht Tupperdosen, zwei Baumwolltaschen und vier Plastiktüten in meinem großen Trekkingrucksack (ja, er eignet sich auch wunderbar zum Einkaufen und nicht nur zum Reisen), marschiere ich zu Tante Olga rein. Klar muss man bedenken: Die Tupperdosen und Tüten, die ich mitgebracht habe, sind aus Plastik – also 100 Prozent plastikfrei eingekauft habe ich nicht. Andererseits verwende ich sie ja immer wieder und schmeiße sie nicht nach einer Benutzung weg, also mache ich da einen grünen Haken dran.

Hier geht es zu Tante Olga

Der Laden ist gut sortiert: Rechts die Müsli-Zutaten, links Nudeln, Reis und Getreide, hinten die Kosmetika, die einen großen Bereich einnehmen. Ich lasse mir erklären, wie das Prinzip funktioniert (leere Box wiegen, Zutat einfüllen, fertig). Dazu gibt es ein Wägelchen, in das man alle seine Boxen hineinpacken und mit sich herumschieben kann.

Meine Tupperdosen warten auf Inhalt.
Tante Olga Unverpackt Köln Nippes

 

Zwei Kilo Vollkornspaghetti wandern in meine Tüte, eine Tupperdose voll mit Risotto, für meinen Müslimix stelle ich eine Kürbiskern-Hanfsamen-Mischung zusammen. Je mehr Zutaten man zusammenstellt, umso leichter geht es von der Hand. Dennoch verbringe ich fast eine Stunde in dem Laden. Es ist mühselig, ständig die leeren Boxen zu wiegen, Gewicht aufschreiben, Zutaten einfüllen, noch mehr wiegen, noch mehr Gewicht aufschreiben, noch mehr einfüllen…

Das Müsli - Zutaten - Angebot

Eher Veedelstreff denn Supermarkt

Ich merke spätestens an der Kasse: Ich bin die einzige, die einen halben Großeinkauf gemacht hat. Der Rest sind zwei Schülerinnen, die in homöopathischen Dosen paar Kekse und etwas Kosmetika kaufen, zwei Frauen, die kleine Portionen Haferflocken und Mehl im Einkaufskorb haben, ein Pärchen mit ebenfalls einigen wenigen Sachen. Dennoch ist Tante Olga gut besucht – und das an einem schnöden Werktag nachmittags. Eine gemütliche Ecke lädt zusätzlich zum Kaffeetrinken ein.

Schwierig ist der Platzmangel. Steht ein Kinderwagen drin, hat man sofort Probleme, mit seinem Wägelchen oder seinem Rucksack durchzukommen. Und man muss teilweise Angst haben, die Keramikdosen in den Regalen umzustoßen.

Die Auswahl ist auf trockene, gut portionierbare Waren beschränkt: Getreide, Mehl, Reise, Pasta, Haferflocken und weitere Müslizutaten, Nüsse, Hülsenfrüchte, Gewürze und Kosmetika wie Shampoo und Haarbalsam am Stück (es gibt sogar Kondome aus Bio-Kautschuk). Solche Produkte liegen auf der Hand, da man sie gut abfüllen und transportieren kann. Schade, dass Tante Olga keine frischen Lebensmittel im Sinne von Obst und Gemüse anbietet: Dort ließe sich auch viel Plastik einsparen. Aber hier will oder kann man dem Wochenmarkt vermutlich keine Konkurrenz machen. Und darüber hinaus bietet Tante Olga auch Hilfe für den plastikfreien Markteinkauf an: Man kann Netze, Taschen, Aufbewahrungsbehälter in Hülle und Fülle kaufen.

Nachdem ich meine Tupperdosen voll gemacht habe und mit meinem großen Einkauf die Schlange an der Kasse für zehn Minuten aufgehalten habe (sorry nochmal dafür 😉 ) fühlt sich mein Trekkingsrucksack tatsächlich an wie bei einer Wanderung. Auch, wenn ich es nicht ewig bis nach Hause habe: So ganz easy für jede Woche ist ein Einkauf in dem Nippeser Unverpacktladen für mich nicht. Dazu finde ich die Handhabung doch zu umständlich. Entweder müsste man näher dran wohnen oder einfach einen viel größeren Grundstock an Aufbewahrungsboxen haben. Trotzdem interessant, zu sehen, wie so ein Unverpacktladen funktioniert. Und es fühlt sich tatsächlich gut an, zu wissen: In den nächsten drei Monate kann ich Spaghetti essen, ohne ein Gramm zusätzliches Plastik verbraucht zu haben.

Hier geht es zur Webseite von Tante Olga.

Auf dem Olavsweg durch Norwegen

Ihr sucht eine Alternative zum Jakobsweg? Hier habt ihr sie: Der Olavsweg führt durch Norwegen – atemberaubende Landschaften und nette Gastgeber inklusive.

Der Olavsweg ist ein alter Pilgerweg, Start ist in Oslo, auf 660 Kilometern geht es der historischen Route nachempfunden auf Wanderwegen, aber auch viel auf asphaltierten Straßen und durch Wald und Gebirge bis nach Trondheim. Ziel ist das Grab des Heiligen Olav im Nidarosdom in der mittelnorwegischen Stadt.

Immer wieder begegnen dem Wanderer oder der Wanderin diese Meilensteine, hier nahe Hjerkinn.Für den kompletten Weg braucht man ungefähr vier Wochen, wenn man an die 20 Kilometer am Tag schafft. Wir haben auch einige besonders Motivierte getroffen, die den Trek in drei Wochen schaffen wollen (und das glaube ich auch, bei dem Tempo, mit dem einige unterwegs waren :)!). Das Gros nimmt sich aber mehr Zeit oder teilt die Strecke auf, so ist es entspannter.

Im schönen Gudbrandsdal
Im schönen Gudbrandsdal

Ich habe mir für meinen zweiwöchigen Urlaub zwei Filetstücke herausgegriffen: Ich habe das wunderschöne Gudbrandsdal (nach dem der Weg auch benannt ist, er heißt nämlich alternativ Gudbrandsdalsleden) erwandert, war aber auch im Gebirge (Dovrefjell) unterwegs.

Mit Zelt oder in Herbergen

Herbergen gibt es genügend entlang der Strecke. Ich habe immer Platz in einer Unterkunft bekommen, obwohl ich nie im Voraus gebucht oder die Gastgeber angerufen habe. Grundsätzlich wird durchaus empfohlen, sein Kommen im Vorfeld anzukündigen.

Es gibt so nette Gastgeber! In der Pilgerunterkunft Borkerud im Gudbrandsdal wurde ich so herzlich empfangen, es ist wirklich ein kleines Paradies mit einem tollen Ausblick dort oben am Berg.

Rast im Wald
Rast im Wald

Auch Christiane von der Unterkunft Fokstugu hat mich wundervoll empfangen, das alte Haus ist aus dem 16. Jahrhundert und extra für Pilger reserviert. Gemütlich sitzen die PilgerInnen dort vor dem Kamin beisammen.

Seit mehreren Jahrhunderten empfängt die Familie von Christiane in Fokstugu am Rande des Dovrefjell Pilger, diese tolle und herzliche Atmosphäre merkt man dem Haus an. Auch eine kleine Kapelle gibt es dort für die Andachten. Und immer diese atemberaubende Ausblicke auf die Berge ringsherum, die sich aus dem Blau der Ferne erheben.

Aber auch als ich abends erschöpft noch auf dem Hof Nordrum Gard im Gudbrandsdal ankam, fand die Gastgeberin noch etwas Brot und Käse und Gemüse und organisierte ein Frühstück für mich: Unkompliziert und gastfreundlich, so sind die NorwegerInnen.

Im Dovrefjell
Im Dovrefjell passiert man auch im Sommer noch Schneefelder, warme und windabweisende Kleidung ist ein Muss.

Man kann auch gut zelten, doch selbst im Sommer kann es kalt werden – gerade im Gebirge. Sowieso muss man in Norwegen mit jedem Wetter rechnen. Von 25 Grad in Oslo bis zu 3 Grad und Schneeregen im Dovrefjell war alles drin. Wie sagte Christiane von der Herberge Fokstugu? „Normalerweise verschwinden die letzten Schneewehen erst an Mittsommer.“ Willkommen im hohen Norden!

Hilfreich ist die offizielle Webseite des Pilgerwegs: www.pilegrimsleden.no
Hier geht es zur Wettervorhersage: www.yr.no

Trondheim, die bunten Häuser am Hafen sind weltbekannt.
Trondheim, die bunten Häuser am Hafen sind weltbekannt.

Winnetou wurde hier gedreht – Kroatiens bekannteste Wasserfälle

Es gibt kaum jemanden, der die Winnetou-Filme nicht kennt. Drehorte vieler Szenen war Kroatien, mal die Plitvicer Seen und Paklenica, mal der Krka-Nationalpark in Dalmatien.

Rund 1 Million Touristen besuchen den Nationalpark Krka in Mitteldalmatien jedes Jahr. Die meisten haben vor allem ein Ziel: Die Wasserfälle Skradinski Bug, an deren Ufer Filme wie „Winnetou“ und Old Shatterhand“ gedreht wurden. Ganze Fan-Webseiten beschäftigen sich damit, Wirklichkeit und Filmszenen abzugleichen.

Doch auch wer kein Winnetou-Fan ist, kann die Fülle im Krka-Nationalpark genießen. Ein Steg führt in Schlenkern an vielen Seen, Wasserfällen, Mooren vorbei, man kann blaue Libellen vor der Nase fliegen und Frösche nebenan quaken hören. Leider ist es an den Wasserfällen Skradinski Bug sehr voll, teilweise kann man vor Aussichtspunkten Schlangestehen, und das in der Nebensaison! Wer mehr Ruhe braucht, kann zu dem Schwester-Wasserfall Roski Slap fahren, der deutlich kleiner, aber durch deutlich weniger Besucher auch entspannter und atmosphärischer ist.

Der Nationalpark Krka von oben

Am See mit seinen schilfbewachsenenen Rändern riecht die Luft nach Nadelholz, vor allem, wenn es gerade geregnet hat. Klettert man einige Hundert Meter nach oben, breitet sich von oben ein wunderschönes Panorama über die „Wassertreppen“ aus. Mit den karstigen Felswänden links und rechts vom tiefblauen Fluss Krka kann man sich ganz gut vorstellen, dass auf einmal Winnetou und Old Shatterhand aus dem Gebüsch treten.

Die „Wassertreppen“ von Roski Slap in Kroatien

Im Mai 2018 habe ich an einer Pressereise nach Kroatien teilgenommen. Fünf Tage waren wir an der dalmatinischen Küste unterwegs. Ihr wollt mehr von Kroatien lesen? Hier geht es zu dem Blogeintrag über Kroatiens Weine, die von der Sonne ganz schön verwöhnt sind.

Bücher, die die Welt verändern: Die Asche meiner Mutter

Es gibt Bücher, die unterhalten und amüsant sind und es gibt Bücher, die das Leben verändern. Frank McCourts Roman „Die Asche meiner Mutter“ ist ein solches Buch, nach dessen Lektüre man die Welt mit anderen Augen sieht.

Der irische Schriftsteller, der bereits 2009 gestorben ist, hat in dem berühmten Roman über seine schwere Kindheit geschrieben. McCourt wurde als Sohn irischer Einwanderer 1930 in New York geboren. Im Zuge der amerikanischen Depression siedelte die Familie zurück nach Irland, nach Limerick, wo die Mutter ihre Kinder durchzubringen versuchte – während ihr Mann jeglichen Lohn, den er unregelmäßig bekam, in den Kneipen durchbrachte.

Frank McCourt schildert sein Leben schonungslos und ehrlich: Die Armut, in der er und seine Brüder aufgewachsen sind. Die Geschwister weinten vor Hunger, es gab matschiges Brot mit Zucker – wenn es überhaupt mal etwas gab -, die Familie teilte sich zu fünft eine Matratze voller Flöhe. Wenn man Schuhe mit kaputten Sohlen an den Füßen hatte, war man noch gut dran: Es gab viele Kinder, die barfuß zur Schule kamen. Schweinskopf mit Kartoffeln war an Weihnachten ein Festmahl, Elektrizität war ein ferner Traum, die ganze Gasse teilte sich eine Toilette. Kein Wunder, dass die Mutter drei ihrer Kinder begraben musste – die medizinische Versorgung, mangelnde Hygiene und die extreme Unterernährung hatten ihren Tribut gefordert.

Raus aus der Armutsspirale

Frank McCourt schafft es aber, das alles hinter sich zu lassen. Er entwickelt sich wie ein normales Kind, findet als Jugendlicher Jobs und spart viele Jahre, um sein Leben in Limerick hinter sich zu lassen und in den USA nochmal neu anzufangen. Was er geschafft hat: Der Ire arbeitete als Englischlehrer und bekam für sein Werk den Pulitzer Preis. McCourt schafft aber noch viel mehr: Er berichtet ganz neutral von seinem Leben, ohne Groll gegenüber den Menschen, die es besser hatten als er. Er zeigt nicht mit dem Finger auf sie, jammert nicht, hadert nicht mit seinem Schicksal. Dadurch beweist er eine enorme Geistesstärke und beschämt unsereins, denen es so gut geht und die wir uns dennoch über so vieles beschweren. Der Job! So wenig Zeit! Der Einkauf war so teuer, der Urlaub hat so viel Geld gekostet! Warum kann sich XY das große Haus und im Urlaub das 4-Sterne-Hotel leisten? Dieses Buch öffnet einem die Augen, in was für einem Luxus wir leben.

Es ist erschreckend zu lesen, wie schlecht es den Menschen in Europa vor nicht allzulanger Zeit noch ging. Aber es erschreckt noch mehr, wenn man daran denkt, dass es so vielen Menschen heutzutage auf der Welt immer noch so ergeht. Dieser Gedanke erfüllt einen durchaus mit Demut und mit Scham, aber eben auch mit Dankbarkeit. Vor fünf Jahren habe ich auf meiner Irlandreise Limerick besucht. Damals hatte ich das Buch noch nicht gelesen, wusste aber, dass die Menschen dort früher ziemlich arm gewesen sind. Jetzt habe ich eine noch viel genauere Vorstellung. Was für ein Segen, dass man selbst zu einer anderen Zeit in einem anderen Land geboren worden ist. Dieses Buch sollte jeder mal gelesen haben. Den Pulitzer Preis hat Frank McCourt eindeutig zu recht erhalten.

Italiens berühmtester Wanderweg: Unterwegs auf dem Sentiero Degli Dei

Der „Weg der Götter“: Wer so einen Namen hat, der muss was bieten. Aber das kann der Wanderweg Sentiero Degli Dei, der als einer der schönsten Italiens – ach was, der ganzen Welt – gilt.

Doch man muss es als Wanderin erst einmal hier hinauf schaffen, hoch über die Amalfiküste, deren Felsen und Berge direkt hinab ins Meer zu stürzen scheinen. Lediglich Gassen, Wege und extrem geschlängelte Straßen führen vom Meer in die Bergwelt von Agerola Bomerano, wo der Götterweg seinen Anfang nimmt. Acht Tage habe ich mir Zeit genommen für die Amalfiküste, von Salerno geht es in die mondäne Küstenstadt Sorrento, immer mit dem ganzen Gepäck auf dem Rücken, was angesichts von täglichen 1000 bis 1800 Höhenmetern eine extrem schweißtreibende Angelegenheit ist.

Der Wanderweg führt an Berghängen entlang und bietet atemberaubende Ausblicke.

Atemberaubende Ausblicke gibt es von den Höhen der Küste jederzeit: Pogerola oder der Limonenweg bei Minori, um zwei Beispiele zu nennen. Doch der Sentiero Degli Dei ist schon etwas ganz Besonderes: Man wandert dicht am Berghang entlang, tiefe Blicke in grüne Täler entlassen einen bei Bomerano auf den weiteren Weg. Die Monti Lattari, die Milchberge, machen ihrem Namen alle Ehre und türmen sich cremefarben wie der Schaum auf dem Cappuccino.

Italien von seiner schönsten Seite

Dann sieht man zum ersten Mal die komplette Amalfiküste bis zu ihrer westlichen Spitze, tiefblaues Meer, Olivenbäume, Handwerker kommen mit ihren Eseln vorbei. Ein echter Anblick für Götter, sie sollen der Legende nach diesen Weg zwischen Berge und Meer genommen haben. Hier zeigt sich Italien von seiner schönsten Seite.

Olivenbäume säumen den Weg.

Alleine ist man als Wanderin auf diesem Pfad selbstverständlich nicht: Je weiter man nach Nocelle und somit Positano kommt, umso mehr Touristen sieht man. Doch das sollte einen nicht abhalten, die Ausblicke auf die Amalfiküste belohnen einen. Und selbst Ende Oktober kann man Glück mit dem Wetter haben und bei Sonnenschein und 20 Grad wandern – lediglich der kalte Wind ruft einem in Erinnerung, dass es schon Herbst ist. Doch zum Wandern ist das die perfekte Jahreszeit, so kann man den Herbstblues noch ein wenig aufschieben.

Die Amalfiküste, das Land, „wo die Zitronenbäume blühen“.

Frühlingsschätze

Es ist Anfang April und an allen Ecken und Enden blüht es.

Besonders schön sind jedes Jahr aufs Neue die Magnolienbäume, die mit ihrer zartrosa Färbung und ihren Blüten begeistern. Aber auch die üppigen Kirschbäume sind ein Traum zum Fotografieren…und irgendwie sieht gerade jedes frische neue grüne Blatt gut aus.

Kirschbäume sind immer ein Hingucker.
Die Kirschblüte ist leider immer so schnell vorbei.
Weißer Magnolienbaum
Junge Buchenblätter im Licht.
Der Klassiker: Die rosafarbene Magnolie.

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Great Ocean Road: Die große Freiheit

Weltreise Part 3: Etwas, wovon Australien genug hat, ist Küste und Meer. Und kein Abschnitt ist schöner als die Great Ocean Road, das Stück, das sich am südlichen Zipfel von Victoria von Warrnambool nach Torquay schlängelt. Schroffe Felsformationen wie die berühmten Twelve Apostels, dazu der blaue Ozean, nichts lädt mehr zu einem Road Trip ein!

Wir haben uns in Adelaide ein Auto gemietet und fahren bis nach Melbourne. Im Tower Hill, einem zugewachsenen ehemaligen Vulkankrater, in dem sich wunderschöne Natur wie in einem abgeschnittenen Kessel ansiedeln konnte (hat mich irgendwie etwas an „Jurassic Park“ erinnert – nur ohne die Saurier ;), konnten wir sogar Koalas in den Bäumen beobachten. Die haben sich aber von uns nicht stören lassen und haben weiterhin ihrem ausgedehnten Mittagsschläfchen gefröhnt.

Der "Arch" - einer der Felsformationen entlang der Great Ocean Road.
Der „Arch“ – einer der Felsformationen entlang der Great Ocean Road.

Auf dem Weg zur Küste haben wir in einem Nest Station gemacht: Mount Gambier. Es war der 9. November – mit Spannung haben wir gewartet, was die Auszählung der amerikanischen Präsidentschaftswahl am Tag zuvor gebracht hat. Durch den Zeitunterschied mussten wir bis zum Nachmittag des nächsten Tages warten. Nicht nur wir waren neugierig, in jedem Hotel, in jeder Gemeinschaftshalle der Provinzstadt hatten sich Bewohner versammelt und haben die Verkündung der Ergebnisse im Fernsehen verfolgt.

Die "Twelve apostels" sind eins der Highlights der Südküste. Ich war allerdings etwas genervt von den Menschenmassen, die das Erlebnis deutlich schmälern. Die Felsen an sich sind durchaus beeindruckend.
Die „Twelve apostels“ sind eins der Highlights der Südküste. Ich war allerdings etwas genervt von den Menschenmassen, die das Erlebnis deutlich schmälern. Die Felsen an sich sind durchaus beeindruckend.

Dass ich die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten für eine Katastrophe halte, verhehle ich nicht. Dieser Mann vereint ungefähr alles, was ich an Einstellungen verabscheue: Er wettert gegen Migranten, würdigt Frauen herab, denkt in kleinkarierten nationalistischen Strukturen, ist autoritär-patriarchalisch, selbst Nanospuren an humanistischem Weltbild lässt er missen.

Nichts von dem, was er gesagt oder als Wahlprogramm angeboten hat, hat mich in irgendeiner Form angesprochen – aber offensichtlich genügend Amerikaner, sodass sie ihn, obwohl Hillary Clinton rein rechnerisch mehr Stimmen geholt hat, zum mächtigsten Mann der Welt gemacht haben. Ein Rückschritt in meinen Augen. Aber so funktioniert Demokratie und das muss man akzeptieren. Nach dem ersten Schock, den scheinbar alle Welt hat, bin ich sehr gespannt, wie es nun weitergehen wird.

Ozean und Outback – zwei unterschiedliche Facetten der australischen Landschaft

Die Great Ocean Road war das absolute Kontrastprogramm zu den Flinders Ranges. Diese Mountain Ranges, gewaltige Bergketten circa 400 Kilometer nördlich von Adelaide, sind die Grenze zum Outback. Dahinter kommt nur noch Coober Pedy und als Zentrum des Outback der Ayers Rock – das dauert allerdings, bis man dort ankommt, die Entfernungen in Australien sind nicht zu unterschätzen.

Und hier noch die Twelve apostels, diesmal in schwarz-weiß.
Und hier noch die Twelve apostels, diesmal in schwarz-weiß.

Aber auch bereits in den Flinders Ranges kann man schon die rötliche Erde sehen und die knochentrockene Vegetation, ob harte und raue Gräser, dürrer Boden und geduckte Büsche und Bäume, die mit wenig Wasser auskommen müssen. Die Creeks, die Flussbette, sind die meiste Zeit des Jahres ausgetrocknet. Doch wehe, es kommt tatsächlich mal Regen, dann treten die schnell über die Ufer und verwandeln sich in reißende Ströme.

Der Aussie-Style: Entspannt, freundlich, offen

In den Flinders Ranges sind wir eine Woche lang gewandert, durch faszinierende Felslandschaften, die je nach Tageszeit und Sonnenstand ihre Farbe wechseln. Mal rötlich-braun in der Mittagshitze, dann wieder in rosa und warmes Sandelholz getaucht bei Sonnenuntergang. Wir haben ein Ferienhäuschen von Geoff gemietet, einem waschechten Aussie-Sheep-Farmer mit ordentlichem Akzent. Ich hab nur die Hälfte verstanden, von dem, was er gesagt hat :).

Die gewaltigen Bergketten der Flinders Ranges erheben sich über der trockenen australischen Steppe, mehrere hundert Kilometer im Landesinneren. Je nach Sonnenstand und Licht verändern sie ihre Farbe.
Die gewaltigen Bergketten der Flinders Ranges erheben sich über der trockenen australischen Steppe, mehrere hundert Kilometer im Landesinneren. Je nach Sonnenstand und Licht verändern sie ihre Farbe.

Rau, aber super freundlich sind die Menschen dort – und extrem unkompliziert. „No worries“ sagen sie nicht nur, sie meinen es auch. Diese super lockere, unkomplizierte Einstellung so vieler Australier zum Leben, zum Alltag, zu allen Problemen hat mich echt beeindruckt. Obwohl die Menschen bestimmt genauso viele Sorgen und Nöte haben wie anderswo, nehmen sie es anscheinend leichter. Wozu sich unnötig Gedanken machen, das Leben ist hart genug, dann muss man es nicht noch verkomplizieren. Herrlich. Davon könnten sich die Deutschen echtmal eine Scheibe abschneiden. Die Kölner kommen dem noch am nächsten mit ihrem „Et hätt noch immer jot jegange“!

Endlose Straßen, auch das ist Australien. Die unglaublichen Ausmaße dieses Landes habe ich anfangs unterschätzt.
Endlose Straßen, auch das ist Australien. Die unglaublichen Ausmaße dieses Landes habe ich anfangs unterschätzt.

Auf jeden Fall machen:

  • Mal raus und abseits der großen Städte fahren. Die schnurgeraden Straßen, die sie scheinbar endlos durch die Landschaft schlängeln, sind beeindruckend.
  • Ausnahmsweise etwas früher aufstehen, denn Kängurus verkriechen sich bei der Mittagshitze gerne im Schatten. Morgens und abends hat man bessere Chancen, mal das eine oder andere „Roo“ davonhüppeln zu sehen.
  • Sternenhimmel im Outback anschauen: Es gibt keine Lichtverschmutzung und bei klarem Wetter spannt sich die Sternenkuppel über das komplette Himmelsgewölbe, ohne Worte! So einen klaren, schönen Sternenhimmel habe ich bislang nur in der Mongolei in der Wüste Gobi und im Kaukasus in Aserbaidschan gesehen.
  • Nahe Adelaide gibt es zwei bekannte Weinanbaugebiete: Das Barossa Valley und Clare Valley. Gerade zweiteres ist super klein, aber sehr süß. Unbedingt irgendwohalten und einen guten Wein trinken, alle paar Meter gibt es einen wine cellar mit Ausschank. Wer da nicht fündig wird…

Auf keinen Fall machen:

  • Auf der Straße rasen! Abgesehen davon, dass man sich erstmal an den Linksverkehr gewöhnen muss, sind genügend Straßen in schlechtem Zustand, sodass man man mit dem einen oder anderen holprigen Loch rechnen muss. Und man muss höllisch auf Tiere aufpassen: Eidechsen sonnen sich auf dem warmen Asphalt, Emus kreuzen die Straße, Vögel picken Heuschrecken auf. Kängurus trifft es besonders häufig: So viele tote Tiere säumen die Straßen, echt traurig. Besonders in der Dunkelheit werden sie überfahren, also bloß weg vom Gas!

 

 

 

Die West Highlands: Schottland von seiner schönsten Seite

Wer den hohen Norden der britischen Insel entdecken will, ist in den West Highlands genau richtig. Berge und Meer: Was will man mehr? Zu Besuch in Oban, dem Tor zu den Südlichen Hebriden.

Der Zug gewinnt an Fahrt, und an Höhe. Links aus dem Fenster glitzert Loch Lomond in der Sonne. Rechts leuchtet gelber Ginster vor dem tiefblauen schottischen Sommerhimmel. Rätätätä, macht der Zug. Wäre das eine Melodie, hätte der oder die Komponist/in auf der letzten Note einen Akzent gesetzt, um sie zu betonen. Jetzt, wo es langsam Richtung Highlands geht, kommt der Zug ins Schwitzen. Woran man übrigens erkennt, dass man in einem britischen Zug sitzt? Es gibt Porridge „to go“.

Schafe auf Kerrera
Schafe auf Kerrera

Knapp 4 Stunden dauert die Fahrt von Edinburgh nach Oban an der Westküste Schottlands. Einmal muss man quer durchs Land. Und es lohnt sich! Oban ist das Tor zu den Inseln der „Southern Inner Hebrides“. Im Minutentakt setzen die Fähren ab, Richtung Mull, Lismore oder zu den entfernteren Inseln Coll und Tiree oder sogar nach South Uist. Sie alle müssen durch den „Sound of Mull“.

Viele Inseln haben eins gemeinsam: Die zahlreichsten Bewohner sind – Schafe. Sie scheinen jeden Quadratmeter zu bevölkern, tauchen aus tiefem Gras auf, beäugen einen misstrauisch oder blöken sich gegenseitig etwas zu. Ginster, Iris und wilde kleine Orchideen runden das idyllische Bild ab. Es ist Juni. Seit drei Wochen hat es hier in Westschottland an der Küste kaum geregnet, die Einheimischen können es nicht fassen. Während Mitteleuropa mit Fluten zu kämpfen hat und Gewitter über das Festland ziehen, scheint der Norden Großbritanniens ein Hort an Lieblichkeit.

Im Gebirge herrschen eigene Wettergesetze

Aber Schottland kann auch anders. So schön es sich an der Küste zeigt, so rau und wirsch offenbaren sich die Berge dem/r Wanderer/in. Wolkenberge türmen sich innerhalb von Minuten auf, schon erscheint der erste Blitz am Horizont. Und schon bald prasselt der Regen nieder. Das Wetter in den Highlands ist unberechenbar, die Berge haben ihr eigenes Klima. Dort kann man immer von Gewitter oder Sturm überrascht werden. Und es sterben immer noch Kletterer, wie kürzlich in Glen Coe.

Ein verlassener Stall auf der Insel Lismore.
Ein verlassener Stall auf der Insel Lismore.

Meine Tour startet in Dalmally, einem kleinen Ort am Fuße der Highlands. Eine Häuserreihe schmiegt sich um den Bahnhof, im Hintergrund ragen die Berge empor. Jedes zweite Haus ist „to let“, zu verkaufen. Hier möchte kaum jemand freiwillig wohnen. Einige Schulkinder kommen mit einem Sonderzug aus Oban an.

Der Fahrer des Schulbusses, der gleichzeitig auch Elektriker für die Gemeindeverwaltung ist, wartet geduldig auf ihre Ankunft. Er macht seinen Job als Schulbusfahrer aber gerne zusätzlich: „It’s always a good laugh“ mit den Kindern, meint er grinsend. Er kann es irgendwie nachvollziehen, dass so viele Menschen wegziehen. Lediglich einen kleinen Supermarkt gebe es hier, erklärt er. Für alles andere muss man weiter weg.

Gedenkstätte an ein Mitglied des McLean-Clans in den Highlands.
Gedenkstätte an ein Mitglied des McLean-Clans in den Highlands.

Dabei war Dalmally einmal ein bedeutender Ort. Hier war Endstation der Zugstrecke von Edinburgh. 1877 eröffnet, mauserte es sich zu einem Touristenhotspot. Früher. Akribisch listet eine Chronik Daten und Ereignisse auf. „1909: Dalmally is thriving, it even has got its own jewellery shop“, heißt es stolz. Auch die Namen der Bahnhofsvorsteher sind detailliert notiert. Man erfährt, dass 1931 Peter Gow Dalmally verlassen hat, John Walker wurde sein Nachfolger. Auch die Zeitungen haben über den Ort berichtet. 14th May 1927: „A traveller dies smoking in the waiting room“, berichtet die Zeitung. Doch die Zugstrecke wurde nach Oban verlängert, seit dem versinkt Dalmally in Bedeutungslosigkeit.

Die Lochs, die Seen, sind glasklar und azurblau.
Die Lochs, die Seen, sind glasklar und azurblau.

Mittlerweile ist Oban das Zentrum der Region. Und punktet mit einer der beiden letzten Destillerien in den West Highlands. Wer live erleben will, wie Single Malt Whisky hergestellt wird, ist hier am richtigen Fleck. Und sowieso: Verhungern und verdursten kann man in Schottland nicht. Auch wenn die Rafinesse des Essens durchaus in Frage gestellt werden kann. Burger und Pommes, mit deren Verzehr man gleichzeitig einen halben Liter Speiseöl zu sich nimmt, ist nur ein Beispiel, das das Klischee durchaus bestätigt, dass man nach Großbritannien nicht der kulinaischen Genüsse wegen kommt.

Eins aber können die Schotten wie die Engländer auch: Sweets! Ob die klassischen Scones mit getrockneten Früchten, Marmelade und Sahne, Gebäck oder Nougathäppchen. Wer gerne Nachtisch isst, kommt hier auf seine Kosten. Enjoy!

Tea and scones gehen immer!
Tea and scones gehen immer!

Grüne, saftige Wiesen gibt es ebenfalls in Irland. Dort war ich vor einigen Jahren, bin über Dublin und Limerick nach Galway gereist. Wonderful!

Aserbaidschan, meine Seele

Aserbaidschan wird auch Land des Feuers genannt. Hell lodert es an der Grenze zwischen Orient und Okzident, wo moderner Kitsch und traditionelle Kultur aufeinandertreffen. Ich bin eine Woche durch ein Land gereist, das nicht mehr Europa, aber auch noch nicht Asien ist.

Zimt, Kardamom und Koriander: Auf dem Yasil Basar, dem Grünen Basar in Baku hat man die freie Wahl.
Zimt, Kardamom und Koriander: Auf dem Yasil Basar, dem Grünen Basar in Baku hat man die freie Wahl.

Viam und Julia stehen neben den anderen Tänzern auf der Bühne, schweißnass glänzt ihre Haut im Rampenlicht, Julias Lippenstift ist nicht mehr taufrisch. Showbusiness ist harte Arbeit. Lächelnd posen sie für Kameras, dann verschwinden sie hinter der Bühne. Eventmanager Suat sitzt hinten im Publikum. Er hat die ganze Show mitverfolgt, jetzt lehnt er sich zufrieden zurück.

Aserbaidschan ist ein ungewöhnliches Urlaubsziel, die Leute staunen, wenn man sagt, dass man nächste Woche nach Baku fliegt. Obwohl das Land des Feuers, das den Namen von den vielen brennenden Erdgasquellen erhalten hat, immer näher an Europe heranrückt: Der Eurovision Song Contest machte 2012 die Schwedin Loreen berühmt, auch Lena Meyer-Landrut trat bei dem Spektakel auf, die ersten Olympischen Europaspiele katapultierten Baku in die europäischen Nachrichten. Und dennoch ist Aserbaidschan nicht Europa, es ist ein Mix aus Orient und Okzident. Moderne Luxusresorts und pulsierendes Großstadtfeeling wechselt sich ab mit einsamen Naturerlebnissen und mystischen Begegnungen.

Wir sind in der Region Quba, im Norden Aserbaidschans. Hügel reihen sich aneinander, das Handynetz verlässt uns. Einöde. Und auf einmal: Ein Zaun, ein Empfang, es geht vorbei an tagellos gepflegten Golfplätzen, die jeden Briten neidisch gemacht hätten, schlussendlich erhebt sich ein Ungetüm aus den Bergen. Das Rixon Quba, eins von zwei 5-Sterne-Luxushotels der türkischen Kette in Aserbaidschan. Man wird erschlagen vom stoffbezogenen Sofas, roten Teppichen und schweren Kronlüstern, die unter der Decke hängen. Schick à la orientale, kitschig, schwülstig, genauso wie man es so häufig im Osten liebt.

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Protzig, kitschig: Wer im Hotel Rixos in Quba übernachtet, muss auf Plüschsessel und Kronleuchter stehen.

Aserbaidschan ist stolz auf seine Luxusresorts: Man möchte westliche Kundschaft anlocken, gerne kaufkräftige. Dass man wanderbegeisterte deutsche Touristen eher mit einsamen Bergdörfern im Kaukasus und Sternenhimmel in den Bergen anlocken kann als mit Kitsch und protziger Architektur, scheint den Stadtplanern nicht in den Sinn gekommen zu sein. Man fängt erst gerade an, sich um westliche Touristen zu bemühen.

Die zögern vielleicht auch, weil sie sich fragen, ob man mit einem Besuch nicht das autoriäre Regime unterstützt: Ilham Aliyev, Sohn und Nachfolger vom großen Heydar Aliyev, der 1993 an die Macht kam und den die Aserbaidschaner als „Architekten des Landes“ verehren, lässt in seinem Staat jegliche kritische Meinungsäußerung und unabhängigen Journalismus unterdrücken. Aserbaidschan rangiert zurzeit auf der Liste von Reportern ohne Grenzen auf Platz 162 von 180, Tendenz fallend.

Religionen leben friedlich nebeneinander

Doch so sehr das Land unter der Herrschaft von Ilham Aliyev Journalisten einen Maulkorb verpasst und sie verfolgt, so tolerant geht es mit religiösen Minderheiten um. Zu 95 Prozent ist das Land muslimisch geprägt. Doch man kann auch christliche und jüdische Gemeinden besuchen. Die bekannteste – und auch einzige – jüdische Siedlung ist die „Rote Siedlung“, Krasnaja Sloboda. Hier leben knapp 3000 Bergjuden friedlich neben muslimischen Nachbarn. Ein weiteres bekanntes Gotteshaus ist die schiitische Moschee in Quba. Das Besondere: Früher war sie mal eine christliche Kirche.

Prachtvolle Moscheen kann man in Aserbaidschan entdecken. Rund 95 Prozent der Einwohner sind Muslime.
Prachtvolle Moscheen kann man in Aserbaidschan entdecken. Rund 95 Prozent der Einwohner sind Muslime.

Unterwegs Richtung Gebirge: Quba wird auch „Tor zu den Bergen“ genannt. Fährt man durch den 24.000-Einwohner-Ort, stellt man schnell fest warum: In der Ferne ragen die hohen Gipfel des Kaukasus empor, als wollten sie die Kleinstadt, die aber immerhin eine Universität beherbergt, umarmen. Die Straßen sind ärmlich, einige Häuser verfallen – Baku mit seiner modernen Skyline ist weit weg. In Quba gibt es vier Synogagen und drei Moscheen. Die schiitische Moschee war früher zu zaristischen Zeiten eine Kirche, nun ist sie ein muslimisches Gotteshaus. Wann genau das Haus den Patron gewechselt hat, weiß man hier nicht. Vielleicht zu Zarenzeiten, ist eine Vermutung.

Wer eintreten möchte, muss seine Schuhe ausziehen. Männer haben keinen Zutritt, ein Mädchen nimmt gerade Koranunterricht. Ihr grasgrünes Tuch hat sie um ihren Kopf geschlungen, etwas unruhig und aufgeregt wegen der Besucher rutscht sie auf dem Boden herum und bohrt ihre Socken in den weichen Teppich. Bunte, reich verzierte Kissen stapeln sich an den Wänden, Bücher mit vergoldetem Einband stehen im Regal. Vor sich hat die Schülerin auf einem Holzpult einen Koran, aus dem sie ihren beiden Lehrerinnen vorliest. Man merkt, dass sie lieber hinübergeschaut hätte, doch die Lehrerinnen lassen das nicht zu. Rund 30 Mädchen werden zurzeit in der Koranschule unterrichtet, erzählen die Moscheediener. Selbst sie dürfen nicht eintreten und warten draußen. Selbstverständlich findet der Unterricht getrennt von den Jungen statt – auch wenn prinzipiell  beide Geschlechter das gleiche lernen. Knapp ein Jahr dauert die Koranausbildung. Da sind die Muslime streng.

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Auch das ist Aserbaidschan: Einsame Berggegenden im Kaukasus, wo die Menschen noch von Viehzucht leben.

Zurück im Resort. Unser Begleitung beim Abendessen heißt Suat, 34 Jahre alt. Er ist der Eventmanager des Hotels. Suat kommt aus Antalya in der Türkei, seit fünf Monaten lebt er in der aserbaidschanischen Provinz. Quirlig wie ein Stehaufmännchen bei nur knapp 1,65 Meter Größe, wuselt er herum. „Man nennt mich auch den kleinen Türken“, meint er lachend. Er ist sich für nichts zu schade, begleitet seine Gäste den ganzen Abend, der geborene Entertainer. Besonders stolz ist er auf seine Show. Schon während des ganzen Abendessens erzählt er von nichts anderem als von den Tanzeinlagen seiner „ukrainischen Mädels“. Die Reisegruppe reagiert verhalten bis belustigt. Ukrainische Mädels? Das weckt Assoziationen.

Backgammon, einige nennen es auch Spiel der Könige, fasziniert immer noch die Menschen. In Teestuben wetteifern ältere Herrschaften um den Sieg und vertreiben sich die Zeit.
Backgammon, einige nennen es auch Spiel der Könige, fasziniert immer noch die Menschen. In Teestuben wetteifern ältere Herrschaften um den Sieg und vertreiben sich die Zeit.

Doch Journalisten sind ja von Natur aus neugierige Menschen: Um elf Uhr sitzt man im Eventraum, und Suat hat nicht zu viel versprochen: Fast eine Stunde lang gibt eine Gruppe junger Frauen und Männer alles: Von Cancan-Hiphopmischungen und Walzertänzen, die von Schnulzen begleitet werden. Suat rast mit seinem Programm, das er selber zusammengestellt hat, mal eben quer durch die Musikgeschichte. Seine jüngste Entdeckung: Viam, braune Haare, hager, er wird uns heute Abend den Frank Sinatra machen. In weißem Anzug und schwarzem Glitzerhemd mit Sonnenbrille singt sich Viam die Seele aus dem Leib: New York New Yoooooork. Nicht nur für den ukrainischen Sänger ist der Tag lang, auch bei Suat hinterlässt der anstrengende Arbeitstag Spuren. Das fröhliche Gesicht für die Touristen, der sorgenvolle, konzentrierte Blick, wenn er etwas organisiert. Schnell checkt er SMS und Mails, schaut sich kritisch die Performance an, man ahnt, dass er ein anspruchsvoller Chef ist. Währenddessen tanzen, hüpfen und hopsen die Frauen in schwarzen Paillettenkleidern und Federn oder im Schulmädchenoutfit über die Bühne. Einige hoffnungsvolle Talente sind dabei, manche Möchtegern-Stars, im Großen und Ganzen eher 2B-Tänzer als die Crème de la Crème. Aber würde man sonst in der aserbaidschanischen Pampa Hotelgäste aus Russland unterhalten statt auf den Brettern zu stehen, die die Welt bedeuten – in Theatern oder Opernhäusern?

Julia, eine der Tänzerinnen, werden wir auch nachher auf der Tanzfläche treffen. Entspannt lässt die Ukrainerin den Abend ausklingen. Seit drei Monaten ist sie hier. Tagsüber arbeitet sie als Animateurin im Spabereich, abends steht sie auf der Tanzfläche. Die anderen Mitglieder des Ensembles kennt sie schon von Kindheitstagen an, man ist als Gruppe hierhergekommen. Wo ist für Julia der Unterschied zwischen Aserbaidschan und Ukraine? Ist Aserbaidschan das gelobte Land für arbeitssuchende ukrainische Künstler? Doch um diese Frage zu beantworten, reichen ihre Englischkenntnisse nicht. Vielleicht ist es auch das grelle Discolicht und die wummernde Technomusik, die die Kommunikation erschwert.

Baku – das Tor nach Aserbaidschan

Baku by night darf in keinem Reiseprogramm fehlen.
Und wie bei jeder Weltstadt gilt auch bei Aserbaidschans Hauptstadt: Baku by night darf in keinem Reiseprogramm fehlen.

Wer nach Aserbaidschan reist, kommt an Baku nicht vorbei, dem Anfangs- und Endpunkt jeder Reise. Die Hauptstadt hat ein ganz eigenes Flair, ein Mix aus Paris, Dubai und Mailand. Eine Mischung aus moderner Metropole, durch die in der Altstadt ein Hauch von archaischer Tradition weht. Baku hat einen der längsten Boulevards der Welt: Aktuell ist er sechs Kilometer lang und soll noch wachsen. Auf dem schicken Streifen am Kaspischen Meer, der von Palmen gesäumt ist, lässt es sich flanieren wie an der Côte d‘ Azur. Es ist heiß in der Hauptstadt: Mitte September kann es durchaus noch 30 Grad und mehr werden. Die Menschen sind auf den Beinen, Geschäfte und Café sind gut gefüllt.

Wir möchten uns die Zukunft vorhersagen lassen. Unser Dolmetscher hat den Kontakt zu einer Wahrsagerin hergestellt. Wir treffen sie gegenüber des Puppenthaters. Wer eine Kristallkugel und mystischen Zauber erwartet hat, wird enttäuscht. Eine kleine, alte Frau mit brauner runzliger Haut geht auf uns zu. Ihre Gestalt endet in rosa Sandalen, schwarze Netzstrümpfe hüllen ihre klobigen Füße ein. Am Körper trägt sie ein gestreiftes Kleid, ein weißes Tuch mit glitzernden Pailletten verhüllt ihre Haare. 68 sei sie, erzählt die Frau aus Sumqayit, einer Industriestadt nördlich von Baku, sie sieht aber aus wie 90. Herzlich begrüßt sie die Menschen und drückt einem ein Küsschen auf die Backe, ein Lachen entblößt einen fast zahnlosen Mund, ein einzelner Zahn ragt aus dem Mundwinkel auf. Wir machen es uns auf einer Parkbank im Schatten bequem. Hand auflegen, Beschwörungsformeln murmeln braucht es nicht.

Der Prophet Khizi hat mich im Traum besucht und mir diese Gabe offenbart.

Die Wahrsagerin aus Sumqayit - ob sich alles so zutragen wird, wie sie es vorhersieht?
Die Wahrsagerin aus Sumqayit – ob sich alles so zutragen wird, wie sie es vorhersieht?

Man nimmt neben ihr Platz, und schon sprudelt es aus ihr heraus, der Dolmetscher kommt kaum hinterher. Ob man Knieprobleme habe oder Bluthochdruck? Du musst mit deinem Herzen aufpassen! Hat man keinen Freund? In nächster Umgebung gebe es da jemanden. Bereits als Kind konnte sie die Wahrheit vorhersagen, erzählt sie. Der alte Prophet Khizi hat sie im Traum besucht und ihr diese Gabe offenbart. Ihr Platz ist normalerweise unter dem Feigenbaum am Beshbarmag-Berg, dem Fünffinger-Berg, dort sagt sie den Besuchern die Zukunft voraus. Ja, man werde alle Ziele erreichen und ein neues Auto erhält man auch. Soweit ist es fast bei jedem gleich, reingefallen möchte man schon denken. Doch dann mischen sich bei den ersten ein nachdenklicher Ton unters alberne Lachen. Woher weiß sie, dass eine Reiseteilnehmerin sich von ihrem Mann hat scheiden lassen? Und dass ein anderer als Kind fast ertrunken wäre? Diejenige, die am meisten gezweifelt hatte, staunt nun: „Die hat mich ja richtig gut beschrieben“, gibt die Teilnehmerin zu. Geduldig lässt sich die Wahrsagerin fotografieren. Nein sie will kein Geld, sagt sie, nimmt dann aber die zehn Manat (umgerechnet neun Euro) pro Person doch gerne an. Sie verabschiedet sich mit den besten Wünschen und verschwindet in der Metrostation.

Die Vorstellung im Hotel in Quba ist mittlerweile beendet. Suat, der Eventmanager, ist zufrieden. Er knipst sein Showlächeln an und hüpft selber auf die Bühne. Der 34-jährige Türke lässt jeden Tänzer einzeln hervortreten, sorgt dafür, dass jeder seinen verdienten Applaus erhält. Der Saal, der anfang noch recht leer war, hatte sich im Laufe der Stunde gut gefüllt. Die Gäste johlen. „Can can can – Azerbaijan“, rufen sie. Suat hat sich diesen Spruch selbst ausgedacht, auf ihn ist er besonders stolz. „Can“ heißt auf türkisch „Seele“, also frei übersetzt: Aserbaidschan, du bist meine Seele. Eine Liebeserklärung ans Land. Die Gäste sind begeistert, Suat erleichtert. Er hat es wieder mal geschafft.

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Baku: Alt und neu zugleich. Im Hintergrund die Flame Towers, Wahrzeichen des modernen Bakus, davor eine alte Moschee.