Nur männliche Kunden bei der Sparkasse

Der Bundesgerichtshof hat im März sein Urteil gefällt: Die Sparkassen müssen ihre weiblichen Kundinnen nicht mit der weiblichen Form ansprechen. „Kunde“ schließt auch immer die Frauen mit ein.

Zugute halten kann man dem Gericht, dass es eine einfache und unkomplizierte Ansprache erreichen wollte, denn zugegebenermaßen: Immer „Kundinnen und Kunden“, „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, „Studentinnen und Studenten“ zu schreiben, ist mühselig, verlängert Texte und liest oder spricht sich auch nicht flüssig.

Aber ist einfach und unkompliziert der richtige Weg? Wer „Kunde“ schreibt, nimmt keine neutrale Form, sondern explizit die männliche. Ein Kunde ist ein Mann. Keine Frau. Punkt. Und wer seine Kunden mit der männlichen Form anspricht, lässt die Frauen außen vor.

Beim Plural argumentieren diejenigen stets, dass die Form (in dem Beispiel „Kunden“) auch Frauen miteinschließt, die männliche Pluralform und die für beide Geschlechter seien eben identisch. So hat auch beim Sparkassen-Streit die Vorinstanz, das Landgericht Saarbrücken, laut Medienberichten argumentiert: Die männliche Form werde bereits „seit 2000 Jahren“ auch als Kollektivform genutzt.

Eben, die männliche Form wird einfach für beide Geschlechter verwendet. Der Mann war scheinbar zuerst da, und daher nehmen wir einfach das Wort für ihn und tun einfach so, als würde das Wort für beide Geschlechter gelten. Weil es zu mühsam, zu konstruiert klingt, immer wieder auch Frauen explizit anzusprechen.

Weibliche Form für beide Geschlechter

Wenn Einfachheit und Unkompliziertheit das einzige Argument sind, dann drehen wir doch einfach mal den Spieß um: Was wäre, wenn wir immer die weibliche Form für beide Geschlechter verwenden würden? Alle Lehrerinnen würden selbstverständlich auch die männlichen Lehrer mit einschließen und die Sparkasse würde allen Kundinnen ihre neuen Regeln erläutern. Ich glaube, dass das die meisten Männern stören würde und sie sich nicht angesprochen fühlen. Aber weil es eben „immer schon so war“, sollen sich Frauen in der männlichen Ansprache wiederfinden. Dass es etwas schon lange gibt, war noch nie ein stichhaltiges Argument, selbst, wenn es sich um eine Zeitspanne von 2000 Jahren handelt.

In einem sprachwissenschaftlichen Seminar der Uni Bonn habe ich über die Theorie des „Konstruktivismus“ gelernt: Die Sprache ist enorm wichtig für eine Gesellschaft und sagt sehr viel über ihre Weltsicht aus. Wenn es ein Phänomen gibt, das den Menschen wichtig ist, dann gibt es dafür auch ein Wort. Nicht umsonst kennen Inuit angeblich 50 Wörter für Schnee. Es sagt viel über eine Gesellschaft aus, wenn sie den Frauen eine eigene Ansprache verweigert, denn das heißt: Ihr seid nicht wichtig, ihr seid sprachlich im Mann „mit inbegriffen“ – und was die Sprache ausdrückt, zeigt sich auch in der Realität.

Man mag es für übertrieben halten, daraus die entscheidende Schlacht für Gleichberechtigung zu machen. Es ist nicht allein das Feld der Sprache, auf dem sich Emanzipation entscheidet und durchsetzt – aber es ist ein Schlachtfeld, eins von vielen.

Bücher, die die Welt verändern: Die Asche meiner Mutter

Es gibt Bücher, die unterhalten und amüsant sind und es gibt Bücher, die das Leben verändern. Frank McCourts Roman „Die Asche meiner Mutter“ ist ein solches Buch, nach dessen Lektüre man die Welt mit anderen Augen sieht.

Der irische Schriftsteller, der bereits 2009 gestorben ist, hat in dem berühmten Roman über seine schwere Kindheit geschrieben. McCourt wurde als Sohn irischer Einwanderer 1930 in New York geboren. Im Zuge der amerikanischen Depression siedelte die Familie zurück nach Irland, nach Limerick, wo die Mutter ihre Kinder durchzubringen versuchte – während ihr Mann jeglichen Lohn, den er unregelmäßig bekam, in den Kneipen durchbrachte.

Frank McCourt schildert sein Leben schonungslos und ehrlich: Die Armut, in der er und seine Brüder aufgewachsen sind. Die Geschwister weinten vor Hunger, es gab matschiges Brot mit Zucker – wenn es überhaupt mal etwas gab -, die Familie teilte sich zu fünft eine Matratze voller Flöhe. Wenn man Schuhe mit kaputten Sohlen an den Füßen hatte, war man noch gut dran: Es gab viele Kinder, die barfuß zur Schule kamen. Schweinskopf mit Kartoffeln war an Weihnachten ein Festmahl, Elektrizität war ein ferner Traum, die ganze Gasse teilte sich eine Toilette. Kein Wunder, dass die Mutter drei ihrer Kinder begraben musste – die medizinische Versorgung, mangelnde Hygiene und die extreme Unterernährung hatten ihren Tribut gefordert.

Raus aus der Armutsspirale

Frank McCourt schafft es aber, das alles hinter sich zu lassen. Er entwickelt sich wie ein normales Kind, findet als Jugendlicher Jobs und spart viele Jahre, um sein Leben in Limerick hinter sich zu lassen und in den USA nochmal neu anzufangen. Was er geschafft hat: Der Ire arbeitete als Englischlehrer und bekam für sein Werk den Pulitzer Preis. McCourt schafft aber noch viel mehr: Er berichtet ganz neutral von seinem Leben, ohne Groll gegenüber den Menschen, die es besser hatten als er. Er zeigt nicht mit dem Finger auf sie, jammert nicht, hadert nicht mit seinem Schicksal. Dadurch beweist er eine enorme Geistesstärke und beschämt unsereins, denen es so gut geht und die wir uns dennoch über so vieles beschweren. Der Job! So wenig Zeit! Der Einkauf war so teuer, der Urlaub hat so viel Geld gekostet! Warum kann sich XY das große Haus und im Urlaub das 4-Sterne-Hotel leisten? Dieses Buch öffnet einem die Augen, in was für einem Luxus wir leben.

Es ist erschreckend zu lesen, wie schlecht es den Menschen in Europa vor nicht allzulanger Zeit noch ging. Aber es erschreckt noch mehr, wenn man daran denkt, dass es so vielen Menschen heutzutage auf der Welt immer noch so ergeht. Dieser Gedanke erfüllt einen durchaus mit Demut und mit Scham, aber eben auch mit Dankbarkeit. Vor fünf Jahren habe ich auf meiner Irlandreise Limerick besucht. Damals hatte ich das Buch noch nicht gelesen, wusste aber, dass die Menschen dort früher ziemlich arm gewesen sind. Jetzt habe ich eine noch viel genauere Vorstellung. Was für ein Segen, dass man selbst zu einer anderen Zeit in einem anderen Land geboren worden ist. Dieses Buch sollte jeder mal gelesen haben. Den Pulitzer Preis hat Frank McCourt eindeutig zu recht erhalten.

Schätze der Weltkulturen

250 einzigartige Kunstschätze aus aller Welt und aus allen Epochen zeigt die Bonner Bundeskunsthalle noch bis zum siebten April. Die „Schätze der Weltkulturen“ – so der Titel der Ausstellung – gehören zur Sammlung des British Museums.

Ein riesengroßer Mann blickt auf den Besucher oder die Besucherin hinab. Sein Bart kräuselt sich, die großen Augen blicken ins Leere, die Hände sind gefaltet. Aus Stein gehauen hat diese Statue Jahrtausende überdauert, sie stammt aus Mesopotamien. Direkt daneben eine Tafel mit der alten Keilschrift: Gut erkennbar sind die Pfeile und Striche, die in den Stein gehauen oder geritzt wurden. Der „Nahe Osten“ ist nur eine von sieben Abteilungen, aus deren Kulturkreis in der Bundeskunsthalle auf der Bonner Museumsmeile Kunstwerke ausgestellt werden. Der Besucher oder die Besucherin hat die Auswahl zwischen „Afrika“, „Asien“, „Amerika“, „Ozeanien“, „Europa“ und „Moderne Welt“. Eindrucksvoll arrangiert sind die Räume mit den jeweiligen Sehenswürdigkeiten: Von einem Mittelraum aus gehen die Museumsräume sternenförmig ab. So werden die jeweiligen Kulturen als gleichberechtigt und als Teil eines Ganzen gezeigt.

Das British Museum wurde 1753 gegründet und beherbergt über 7 Millionen Objekte

Man entdeckt in dieser Ausstellung viele eindrucksvolle Gegenstände: Von Schmuck über Seekarten und Nutzwerkzeuge. Was für eine Schwierigkeit, die Kulturen eines ganzen Kontinents in einen Raum zu pressen und in wenigen Sätzen beschreiben zu müssen! Jahrtausende alte Geschichte schnurrt zusammen und passt auf eine Tafel an der Wand. Aber das ist der Preis, den man bezahlen muss, wenn man sich quer durch Kulturen und Epochen bewegen möchte. Und diesen Preis zahlt man gerne. Äußerst ärgerlich ist allerdings, dass die Gegenstände selber nicht auf Tafeln erklärt wurden: Wenn man keinen Audio-Guide nimmt, muss man lästig ein Heft mit sich herumtragen, die jeweilige Nummer des Kunstwerks suchen und sich den Text dazu durchlesen. Praktisch und leicht rezipierbar ist das nicht. Nichtsdestotrotz eine eindrucksvolle Ausstellung, mit der die Bundeskunsthalle die traditionsreiche Reihe „Große Sammlungen“ fortsetzt. Rüdiger Heimlich vom Kölner Stadt-Anzeiger schreibt: „Die Ausstellung, so die Kuratoren aus Bonn und London, soll nicht als „Best of“ verstanden werden, eher vielleicht als „Very Best of“, als ein Höchstangebot von konzentrierter Kunst- und Kulturgeschichte.“

Warschau, die Stolze

Der Kulturpalast - Wahrzeichen von Warschau und am meisten geliebtes oder gehasstes Gebäude der Stadt.
Der Kulturpalast – Wahrzeichen von Warschau und am meisten geliebtes oder gehasstes Gebäude der Stadt.

Ihr wollt einen Kurztrip machen, wisst aber nicht wohin? Soll nicht weit weg sein, relativ günstig und mal „was anderes“? Willkommen in Warschau – „Witamy w Warszawie“!

Die polnische Hauptstadt blickt auf eine lange Geschichte zurück (Hauptstadt ist sie übrigens erst seit 1596, davor war es Krakau) und hat schon viel erlebt: Kriege, Könige, Kommunismus – alles hat sie vorbeiziehen sehen. Das merkt man ihr heute noch an. Im zweiten Weltkrieg wurde Warschau stark zerstört, die Altstadt inklusive dem Königspalast wurde danach aber komplett wieder neu errichtet. Sieht alles top aus, ein Besuch im Schloss lohnt sich! Natürlich findet man aber dort die meisten Touristen. Generell gilt Warschau noch als Geheimtipp und ist in keinster Weise überlaufen wie andere europäische Hauptstädte. Natürlich liegt es daran, dass das Gesicht der Stadt stark vom Kommunismus geprägt ist: Man sieht immer noch Viertel voll mit Plattenbauten, langgezogenen Straßen zwischen Häuserfluchten und schmutzig-kitschigen Märkten.

An jeder Straßenecke atmet man in Warschau Geschichte

Aber Warschau entwickelt sich auch viel schneller als andere Städte und holt auf: Das kulturelle Angebot hat enorm zugenommen, es gibt tolle Museen und Ausstellungen, nicht zuletzt wurde für die Fußball-Europameisterschaft 2012 das Stadion komplett saniert. Auch die Einkaufsmöglichkeiten erschlagen einen: Ob man auf der „Flaniermeile“ Nowy Swiat bummeln geht, oder in den goldenen Terrassen (zlote terasy): Mittlerweile sieht man die gleichen großen Shoppingcenter wie überall. Hier sieht man, dass Modernisierung nicht gleich für Individualisierung steht. Mein Tipp: Auf jeden Fall abseits der Menschenströme die polnische Hauptstadt entdecken. Hier einige Ideen:

Ein Pfau im Lazienki-Park - keine Seltenheite, die Vögel leben dort.
Ein Pfau im Lazienki-Park – keine Seltenheite, die Vögel leben dort.

Universitätscampus: eine Stadt in der Stadt

Wenn man über den Campus schlendert und Richtung Weichsel und Unibibliothek geht (im Sommer ist der Dachgarten geöffnet, von dort hat man einen sehr schönen Blick über Warschaus Dächer), gibt es mehrere süße Studenten-Cafés, in denen man es sich bei einem fair gehandelten Tee und selbst gebackenen Kuchen gemütlich machen kann.

Im Sommer bei schönem Wetter unbedingt die ganzen Parks und Grünflächen nutzen: Der Lazienki-Park (früheres Jagdgebiet der Könige) mit verschiedenen Bädern und Orangerien ist eine wahre Augenweide, wenn alles blüht. Im Sommer gibt es dort jeden Sonntag Chopinkonzerte, Eintritt ist frei! Warschau hat auch zwei botanische Gärten zu bieten und den Ogrod Saski (Sächsichen Garten) im Zentrum mit den Springbrunnen.

Eine der vielen Engelfiguren auf dem Powazki-Friedhof.
Eine der vielen Engelfiguren auf dem Powazki-Friedhof.

Wer sich mehr für Geschichte interessiert, kann über den Powazki-Friedhof schlendern. Dort entdeckt man viele wunderschöne alte Gräber mit tollen Figuren. Hier sind auch viele Widerstandskämpfer begraben. A propos Geschichte und zweiter Weltkrieg: Das polnische Volk ist sehr geschichtsbewusst und auch sehr feinfühlig. Der zweite Weltkrieg hat sich mndestens genauso tief (wenn nicht noch stärker) in das kulturelle Gedächtnis der Polen eingebrannt wie in Deutschland.

Eine Stadt mit Altlasten hat ihren Weg in die Moderne gefunden

Sehenswert ist auch der Palac Wilanowski im Südosten von Warschau. Gebaut wurde das Schloss Ende des 17. Jahrhunderts als Vorstadtresidenz von König Johann Sobieski III.

Adam Mickiewicz - Lieblingspoet der Polen (Gemälde im Nationalmuseum).
Adam Mickiewicz – Lieblingspoet der Polen (Gemälde im Nationalmuseum).

Die Infrastruktur ist ganz gut: Eine topmoderne Metrolinie führt von Süd nach Nord (geplant ist auch eine zweite West-Ost Linie). Es gibt ein ganzes Netz von Straßenbahnen, Busse fahren selbstverständlich auch, beide Verkehrsmittel sind aber auch häufig alt und können nicht mit der neuen Metro mithalten. Essen gibt es an jeder Straßenecke, meistens aber fleischlicher Imbiss. Mitlerweile gibt es sogar vegane/vegetarische Restaurants/Salatbars! Unbedingt ausprobieren: In eine bar mleczny gehen. Die Milchbar ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten des Kommunismus, es sind quasi staatlich subventionierte Kantinen. Man kann dort für super wenig Geld Hausmannskost erhalten. Das Ambiente ist meistens auch noch sehr kommunistisch-spartanisch, sofort fühlt man sich in vergangene Zeiten versetzt! Hier und da gibt es Milchbars mit modernerem Flair. Der Kulturpalast inmitten des Zentrums ist Objekt der Hassliebe der Warschauer: Einige halten das Riesengebäude, was Stalin 1952 den Polen „schenkte“, für eine architektonische Schande (es ist dem Moskauer Stil nachgeahmt), andere empfinden es mittlerweile als Wahrzeichen der Stadt und haben sich mit ihm versöhnt.

Die Warschauer Skyline in der Nacht.
Die Warschauer Skyline in der Nacht.