Bergische Streifzüge: Wie steinreich Lindlar wirklich ist

Tour Nummer 8 der Bergischen Streifzüge führt um Lindlar herum. Die Leute, die dort leben, sind steinreich – im wahrsten Sinne des Wortes. Den Reichtum an Steinen und die Geschichte der teilweise immer noch betriebenen Steinbrüche kann man auf dem Steinhauerpfad entdecken.

„Der ist weg vom Fenster“ – wer hätte gedacht, dass das Sprichwort aus dem Bergbau kommt? Das Abschlagen der Steine aus den Steinbrüchen führte im 19. Jahrhundert bei den Arbeitern zur so genannten Staublunge. Der Staub und kleine Teilchen hatten sich an der Lunge abgelagert. Husten und Atemnot war das Los vieler Arbeiter. Waren sie erkrankt, saßen sie immer am Fenster, da sie dort gut Luft bekamen. Wurde einer dort nicht mehr gesichtet – war er mit Sicherheit tot.

Wer sich mit der Lindlarer Geschichte und ihrer Verbindung zum Naturgut Stein beschäftigen will, ist beim Rundweg gut aufgehoben. Auf 6,2 Kilometern geht es durch den Ort mit seinem schönen alten Zentrum, gesäumt von Fachwerkhäusern und den mit Schindeln bedeckten Häusern. Drei noch aktiv betriebene Steinbrüche kann man sich während der Tour anschauen – und über Größe und Ausmaße staunen. Ein Steinbruch hat was von einem Wimmelbild: Überall entdeckt man was. Arbeiter, Bagger, Wasserbecken, Pflanzen, die sich an den Hängen ihr Territorium zurückgeholt haben.

Weiter Blick ins Bergische Land hinein.
Weiter Blick ins Bergische Land hinein.

Wie es aussieht, wenn sich die Natur einen kompletten stillgelegten Steinbruch zurückerobert, kann man auf der Tour auch sehen. Regelrecht verwunschen wirkt der überwucherte Steinbruch, teilweise gar nicht von normalem Wald zu unterscheiden. An den Seiten kann man allerdings noch die Zugänge sehen, über die die Arbeiter früher mit Schubkarren die kostbare Fracht abtransportiert haben. Doch Bäume, Sträucher, Moos und Wasser haben sich wieder breit gemacht und eine neue Haut über die alte Wunde wachsen lassen, die jahrelang dort klaffte – von Menschenhand zugefügt.

Ein weiteres Highlight: Überreste eines ehemaligen Arbeiterhäuschens aus dem 19. Jahrhundert. Die Arbeiter wollten und mussten nahe zum Bruch leben. Die Umrisse zeigen auf, dass einem Arbeiter mit seiner mehrköpfigen Familie nicht viel mehr als 15 Quadratmeter Wohnfläche zustanden. Und dann wurden die Arbeiter durch besagte Staubunge häufig nicht älter als 45 Jahre alt. Ein entbehrungsreiches Leben, das dennoch viele Menschen anzog, Arbeiter aus Frankreich und der Eifel haben auch in den Lindlarer Steinbrüchen geschuftet.

Mehr Infos zu den Bergischen Streifzügen gibt es auf der Seite Bergisches Wanderland.

Streifzug Nummer 7 führt von Kürten ins Bergische Land: Der Mühlenweg ist ebenfalls wunderschön!

Die West Highlands: Schottland von seiner schönsten Seite

Wer den hohen Norden der britischen Insel entdecken will, ist in den West Highlands genau richtig. Berge und Meer: Was will man mehr? Zu Besuch in Oban, dem Tor zu den Südlichen Hebriden.

Der Zug gewinnt an Fahrt, und an Höhe. Links aus dem Fenster glitzert Loch Lomond in der Sonne. Rechts leuchtet gelber Ginster vor dem tiefblauen schottischen Sommerhimmel. Rätätätä, macht der Zug. Wäre das eine Melodie, hätte der oder die Komponist/in auf der letzten Note einen Akzent gesetzt, um sie zu betonen. Jetzt, wo es langsam Richtung Highlands geht, kommt der Zug ins Schwitzen. Woran man übrigens erkennt, dass man in einem britischen Zug sitzt? Es gibt Porridge „to go“.

Schafe auf Kerrera
Schafe auf Kerrera

Knapp 4 Stunden dauert die Fahrt von Edinburgh nach Oban an der Westküste Schottlands. Einmal muss man quer durchs Land. Und es lohnt sich! Oban ist das Tor zu den Inseln der „Southern Inner Hebrides“. Im Minutentakt setzen die Fähren ab, Richtung Mull, Lismore oder zu den entfernteren Inseln Coll und Tiree oder sogar nach South Uist. Sie alle müssen durch den „Sound of Mull“.

Viele Inseln haben eins gemeinsam: Die zahlreichsten Bewohner sind – Schafe. Sie scheinen jeden Quadratmeter zu bevölkern, tauchen aus tiefem Gras auf, beäugen einen misstrauisch oder blöken sich gegenseitig etwas zu. Ginster, Iris und wilde kleine Orchideen runden das idyllische Bild ab. Es ist Juni. Seit drei Wochen hat es hier in Westschottland an der Küste kaum geregnet, die Einheimischen können es nicht fassen. Während Mitteleuropa mit Fluten zu kämpfen hat und Gewitter über das Festland ziehen, scheint der Norden Großbritanniens ein Hort an Lieblichkeit.

Im Gebirge herrschen eigene Wettergesetze

Aber Schottland kann auch anders. So schön es sich an der Küste zeigt, so rau und wirsch offenbaren sich die Berge dem/r Wanderer/in. Wolkenberge türmen sich innerhalb von Minuten auf, schon erscheint der erste Blitz am Horizont. Und schon bald prasselt der Regen nieder. Das Wetter in den Highlands ist unberechenbar, die Berge haben ihr eigenes Klima. Dort kann man immer von Gewitter oder Sturm überrascht werden. Und es sterben immer noch Kletterer, wie kürzlich in Glen Coe.

Ein verlassener Stall auf der Insel Lismore.
Ein verlassener Stall auf der Insel Lismore.

Meine Tour startet in Dalmally, einem kleinen Ort am Fuße der Highlands. Eine Häuserreihe schmiegt sich um den Bahnhof, im Hintergrund ragen die Berge empor. Jedes zweite Haus ist „to let“, zu verkaufen. Hier möchte kaum jemand freiwillig wohnen. Einige Schulkinder kommen mit einem Sonderzug aus Oban an.

Der Fahrer des Schulbusses, der gleichzeitig auch Elektriker für die Gemeindeverwaltung ist, wartet geduldig auf ihre Ankunft. Er macht seinen Job als Schulbusfahrer aber gerne zusätzlich: „It’s always a good laugh“ mit den Kindern, meint er grinsend. Er kann es irgendwie nachvollziehen, dass so viele Menschen wegziehen. Lediglich einen kleinen Supermarkt gebe es hier, erklärt er. Für alles andere muss man weiter weg.

Gedenkstätte an ein Mitglied des McLean-Clans in den Highlands.
Gedenkstätte an ein Mitglied des McLean-Clans in den Highlands.

Dabei war Dalmally einmal ein bedeutender Ort. Hier war Endstation der Zugstrecke von Edinburgh. 1877 eröffnet, mauserte es sich zu einem Touristenhotspot. Früher. Akribisch listet eine Chronik Daten und Ereignisse auf. „1909: Dalmally is thriving, it even has got its own jewellery shop“, heißt es stolz. Auch die Namen der Bahnhofsvorsteher sind detailliert notiert. Man erfährt, dass 1931 Peter Gow Dalmally verlassen hat, John Walker wurde sein Nachfolger. Auch die Zeitungen haben über den Ort berichtet. 14th May 1927: „A traveller dies smoking in the waiting room“, berichtet die Zeitung. Doch die Zugstrecke wurde nach Oban verlängert, seit dem versinkt Dalmally in Bedeutungslosigkeit.

Die Lochs, die Seen, sind glasklar und azurblau.
Die Lochs, die Seen, sind glasklar und azurblau.

Mittlerweile ist Oban das Zentrum der Region. Und punktet mit einer der beiden letzten Destillerien in den West Highlands. Wer live erleben will, wie Single Malt Whisky hergestellt wird, ist hier am richtigen Fleck. Und sowieso: Verhungern und verdursten kann man in Schottland nicht. Auch wenn die Rafinesse des Essens durchaus in Frage gestellt werden kann. Burger und Pommes, mit deren Verzehr man gleichzeitig einen halben Liter Speiseöl zu sich nimmt, ist nur ein Beispiel, das das Klischee durchaus bestätigt, dass man nach Großbritannien nicht der kulinaischen Genüsse wegen kommt.

Eins aber können die Schotten wie die Engländer auch: Sweets! Ob die klassischen Scones mit getrockneten Früchten, Marmelade und Sahne, Gebäck oder Nougathäppchen. Wer gerne Nachtisch isst, kommt hier auf seine Kosten. Enjoy!

Tea and scones gehen immer!
Tea and scones gehen immer!

Grüne, saftige Wiesen gibt es ebenfalls in Irland. Dort war ich vor einigen Jahren, bin über Dublin und Limerick nach Galway gereist. Wonderful!

Der Kameracheck: Canon 100D mit 24mm Festbrennweite

Es war Zeit für eine neue Kamera. Bislang bin immer mit einer Nikon unterwegs gewesen. Die hat aber als Kameraseniorin immer mehr Macken gezeigt und so stellt sich die Frage: Mal einschicken und gegebenenfalls reparieren lassen oder direkt eine neue Kamera kaufen?

Ich entschied mich für letzteres: Es wurde eine Canon 100D, die kleine Schwester der 700D. Mit allen Features und Funktionen, nur viel leichter und kompakter (knapp 400 Gramm). Lediglich das ausklappbare Display fehlt, aber das kann ich verschmerzen. Alles andere ist da: Touch-Display, man kann damit filmen (allerdings ist der Fokus etwas langsam), alles in allem gewohnt gute Canon-Qualität. Das Experiment: Eine Festbrennweite. Die hat den Vorteil, dass die Blende weit aufgemacht werden kann und somit viel Licht durch die Linse fällt. So kann man auch bei schlechten Lichtverhältnissen noch viel rausholen, ohne sich dumm und dämlich zahlen zu müssen. Im Gegensatz zu lichtstarken Zoomobjektiven, die sehr viel kosten, da wird man ja arm von.

Weiterer Vorteil der großen Blende: Das Objekt kann man schön „freistellen“, wie es im Fotografensprech heißt. Also den Hintergrund unscharf werden lassen. Diese Effekt war mir besonders wichtig. So kommt noch jedes unscheinbare Blatt zur Geltung und die Fotos machen immer etwas her.

Ja, klar, der Nachteil der Festbrennweite ist, dass man sich festlegt. Ich habe mich für ein 24mm-Objektiv entschieden, also ein leichtes Weitwinkel. Zählt aber (wenn man die Brennweite mit dem Cropfaktor in Vollformat umrechnet) mit 38mm zu den Reportagebrennweiten. Porträts sind also ungünstig, aber Landschaften und Street-Szenen lassen sich damit gut einfangen. Und dennoch ist das Weitwinkel noch nicht so groß, dass es an den Rändern verzerrt. Nach den ersten Tests bin sowohl mit Kamera wie auch Festbrennweite zufrieden.

IMG_0606Die Festbrennweite ist lichtstark und mit der Blende 2,8 kann man den Hintergrund schön unscharf werden lassen. Allerdings darf man nicht zu nah an das Objekt herangehen (ist ja schließlich kein Makro), sonst wird alles unscharf. Autofokus funktioniert einwandfrei, doch der manuelle Fokus ist laut! Das Objektiv gab es zu dem Preis nur mit STM (Stepping Motor Technologie), also Schrittmotor, statt mit einem USM (Ultraschallmotor). Als ich mir Testberichte durchgelesen habe, und es hieß der Motor hört sich an wie ein verendendes Tier, wollte ich das nicht glauben und habe es als Scherz abgetan. Doch genauso klingt es. Es röhrt und jault….aber es funktioniert einwandfrei, und das ist schließlich die Hauptsache.

Positiv auffallen werden einem auch die Maße des Objektivs: Es heißt nicht umsonst „Pancake“. Ungefähr 150 Gramm leicht, knapp 6 Zentimeter Durchmesser und knapp über 2 Zentimeter Breite. Nicht schlecht im Vergleich zu anderen Monsterobjektiven, für die man einen Extra-Träger engagieren muss, der die riesigen und schweren Teile schleppt. Also ideal für den Urlaub, das Pancake-Objektiv. Und kombiniert mit der kleineren und leichten Canon 100D sowieso.

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Sri Lanka: Auf den Spuren des Ceylon-Tees

Das erste, was einem auffällt, ist der Geruch. Fruchtig und herb zieht einem der Duft der feuchten Blätter in die Nase, kaum hat man die Fabrik des Demodera Tea Estate im Herzen des Berglandes von Sri Lanka betreten. In einer Halle werden Kiloweise Blätter des Teestrauchs, Camellia sinensis, ausgebreitet und getrocknet. Willkommen in der Welt des Tees!

In den Teefabriken probieren und beurteilen die Tea-Tester die verschiedenen Chargen.
In den Teefabriken probieren und beurteilen die Tea-Tester die verschiedenen Chargen.

Die tropische Insel ist der größte Tee-Exporteur der Welt. Die Bezeichnung Ceylon kennt man in aller Welt. Von grün, rostrot über orange bis hin zu einem dunklen Braun: Die Tassenfarbe schwankt, getrunken wird der Tee entweder pur, aromatisiert oder mit Milch. Die Engländer sind es schuld, dass Sri Lankas Tee seinen Weg in alle Welt gefunden hat. 1840 hatte die Est India Company die Teepflanze versuchsweise im nordindischen Assam angebaut. Im selben Jahr noch experimentierten sie mit 200 Pflanzen auf Sri Lanka. Siehe da, dem Strauch gefiel das feucht-warme Klima des singhalesischen Hochlands und er wuchs und wuchs. Will man den Tee dort sehen, wo er angebaut wird, muss man weg von der Küste und den Touristenorten, hinein in die Bergebene um Nuwara Eliya und Ella.

Teepflücken ist immer noch Handarbeit – und eine ziemlich mühselige noch dazu.
Teepflücken ist immer noch Handarbeit – und eine ziemlich mühselige noch dazu.

Im feuchten Hochland fühlt sich Camellia sinensis zu Hause

Zugfahren in Sri Lanka ist abenteuerlich. Die ganze Zeit ruckelte und trötet es, Menschen laufen zwischendurch auf den Gleisen, immer wieder hält der Zug (der sicher auch schon einige Jahr auf dem Buckel hat) mit Vollbremsung an. Wir sind in Nuwara Eliya, dem Dreh- und Angelpunkt der Teeanbauregion. Schaut man aus dem Fenster, sieht man: nichts. Eine feuchte neblige Suppe hängt über den Bergen, Schwaden steigen auf, Regentropfen kriechen über die Glasscheibe. So hatten wir uns das nicht vorgestellt. Aber guter Tee braucht genau das: Viel Feuchtigkeit und Regen. Und genau den bekommt er im Hochland. Doch auch der Nebel kann sich nicht ewig halten, irgendwann reißt die graue Wand auf – und offenbart atemberaubende Blicke auf grüne Hänge und tiefe Täler. Die Teesträucher bedecken die steilen Hänge der Bergregion wie einen Teppich. Teepflückerinnen leuchten als bunte Punkte inmitten all des Grüns auf. Ihre Arbeit ist der erste Schritt für das Teeblatt auf dem Weg in die Tasse.

Antikes Gerät noch im Einsatz

In der Demodera Tea Fabrik schaufeln die Arbeiter die Teeblätter in die Säcke, überall liegen Fetzen von abgerissenen Blatteilen herum. Wir steigen die Holzdielen herauf und befinden uns in einem Raum mit Maschinen: Sie rattern, drehen sich – und zerreiben die frischen Teeblätter. So wird die Fermentation in Gang gesetzt. Was nichts anderes heißt als Oxidation: Luft gelangt an den Saft, der aus den Blättern austritt, und reagiert mit ihm. Die Blätter fermentieren und erhalten ihre charakteristische Farbe und ihren Geschmack. Würde man die Blätter als Ganzes trocknen und dämpfen, käme grüner Tee heraus. Die Maschinen sind fast schon antik – man findet Exemplare von 1950, 1978 oder 1992. Es gibt wahrlich modernere Teefabriken auf Sri Lanka. Nachdem sie eine halbe Stunde zerrieben wurden, werden die Blätter nach Größe sortiert und getrocknet. Mit Werkzeug werden die trockenen Haufen auf Bänder geschaufelt und in einem Backofen getrocknet.

Hänge voller Teesträucher: Sri Lanka gilt als größter Tee-Exporteur der Welt.
Hänge voller Teesträucher: Sri Lanka gilt als größter Tee-Exporteur der Welt.

Sammelsurium an Qualitätsbezeichnungen

Die Arbeiter wuseln zwischen den Fässern, in denen der Tee aufbewahrt wird herum – barfuß. Arbeitsschutz scheint auf Sri Lanka häufig noch ein Fremdwort zu sein. Immer mal wieder kehrt einer zusammen, was auf den Boden gefallen ist. Masken haben die Arbeiter an – um nicht zu viel des feinen Staubs, der bei der Produktion entsteht, einzuatmen. Die Bezeichnungen des Tees klingen wie Kauderwelsch. Broken Orange Pekoe, Fannings oder Dust, Tippy oder Flowery. Viele (teils veraltete) Begriffe prägen den Teemarkt und bezeichnen die verschiedenen Qualitätsstufen. Ob lange Blätter, kleine Blätter mit Knospen oder der kräftige Teestaub – für jeden Geschmack und für jeden Geldbeutel wird produziert.

Von den Fässern wird der Tee in Säcke geladen. Nun wartet er auf seinen Transport nach Colombo, von wo aus er seine Reise in die Welt antreten wird. Also dann: Zurücklehnen und die Tasse Ceylon-Tee genießen.

Der Teestrauch ist seit 1840 auf der Insel im indischen Ozean heimisch – und hat sich seitdem gut ausgebreitet.
Der Teestrauch ist seit 1840 auf der Insel im indischen Ozean heimisch – und hat sich seitdem gut ausgebreitet.

Aserbaidschan, meine Seele

Aserbaidschan wird auch Land des Feuers genannt. Hell lodert es an der Grenze zwischen Orient und Okzident, wo moderner Kitsch und traditionelle Kultur aufeinandertreffen. Ich bin eine Woche durch ein Land gereist, das nicht mehr Europa, aber auch noch nicht Asien ist.

Zimt, Kardamom und Koriander: Auf dem Yasil Basar, dem Grünen Basar in Baku hat man die freie Wahl.
Zimt, Kardamom und Koriander: Auf dem Yasil Basar, dem Grünen Basar in Baku hat man die freie Wahl.

Viam und Julia stehen neben den anderen Tänzern auf der Bühne, schweißnass glänzt ihre Haut im Rampenlicht, Julias Lippenstift ist nicht mehr taufrisch. Showbusiness ist harte Arbeit. Lächelnd posen sie für Kameras, dann verschwinden sie hinter der Bühne. Eventmanager Suat sitzt hinten im Publikum. Er hat die ganze Show mitverfolgt, jetzt lehnt er sich zufrieden zurück.

Aserbaidschan ist ein ungewöhnliches Urlaubsziel, die Leute staunen, wenn man sagt, dass man nächste Woche nach Baku fliegt. Obwohl das Land des Feuers, das den Namen von den vielen brennenden Erdgasquellen erhalten hat, immer näher an Europe heranrückt: Der Eurovision Song Contest machte 2012 die Schwedin Loreen berühmt, auch Lena Meyer-Landrut trat bei dem Spektakel auf, die ersten Olympischen Europaspiele katapultierten Baku in die europäischen Nachrichten. Und dennoch ist Aserbaidschan nicht Europa, es ist ein Mix aus Orient und Okzident. Moderne Luxusresorts und pulsierendes Großstadtfeeling wechselt sich ab mit einsamen Naturerlebnissen und mystischen Begegnungen.

Wir sind in der Region Quba, im Norden Aserbaidschans. Hügel reihen sich aneinander, das Handynetz verlässt uns. Einöde. Und auf einmal: Ein Zaun, ein Empfang, es geht vorbei an tagellos gepflegten Golfplätzen, die jeden Briten neidisch gemacht hätten, schlussendlich erhebt sich ein Ungetüm aus den Bergen. Das Rixon Quba, eins von zwei 5-Sterne-Luxushotels der türkischen Kette in Aserbaidschan. Man wird erschlagen vom stoffbezogenen Sofas, roten Teppichen und schweren Kronlüstern, die unter der Decke hängen. Schick à la orientale, kitschig, schwülstig, genauso wie man es so häufig im Osten liebt.

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Protzig, kitschig: Wer im Hotel Rixos in Quba übernachtet, muss auf Plüschsessel und Kronleuchter stehen.

Aserbaidschan ist stolz auf seine Luxusresorts: Man möchte westliche Kundschaft anlocken, gerne kaufkräftige. Dass man wanderbegeisterte deutsche Touristen eher mit einsamen Bergdörfern im Kaukasus und Sternenhimmel in den Bergen anlocken kann als mit Kitsch und protziger Architektur, scheint den Stadtplanern nicht in den Sinn gekommen zu sein. Man fängt erst gerade an, sich um westliche Touristen zu bemühen.

Die zögern vielleicht auch, weil sie sich fragen, ob man mit einem Besuch nicht das autoriäre Regime unterstützt: Ilham Aliyev, Sohn und Nachfolger vom großen Heydar Aliyev, der 1993 an die Macht kam und den die Aserbaidschaner als „Architekten des Landes“ verehren, lässt in seinem Staat jegliche kritische Meinungsäußerung und unabhängigen Journalismus unterdrücken. Aserbaidschan rangiert zurzeit auf der Liste von Reportern ohne Grenzen auf Platz 162 von 180, Tendenz fallend.

Religionen leben friedlich nebeneinander

Doch so sehr das Land unter der Herrschaft von Ilham Aliyev Journalisten einen Maulkorb verpasst und sie verfolgt, so tolerant geht es mit religiösen Minderheiten um. Zu 95 Prozent ist das Land muslimisch geprägt. Doch man kann auch christliche und jüdische Gemeinden besuchen. Die bekannteste – und auch einzige – jüdische Siedlung ist die „Rote Siedlung“, Krasnaja Sloboda. Hier leben knapp 3000 Bergjuden friedlich neben muslimischen Nachbarn. Ein weiteres bekanntes Gotteshaus ist die schiitische Moschee in Quba. Das Besondere: Früher war sie mal eine christliche Kirche.

Prachtvolle Moscheen kann man in Aserbaidschan entdecken. Rund 95 Prozent der Einwohner sind Muslime.
Prachtvolle Moscheen kann man in Aserbaidschan entdecken. Rund 95 Prozent der Einwohner sind Muslime.

Unterwegs Richtung Gebirge: Quba wird auch „Tor zu den Bergen“ genannt. Fährt man durch den 24.000-Einwohner-Ort, stellt man schnell fest warum: In der Ferne ragen die hohen Gipfel des Kaukasus empor, als wollten sie die Kleinstadt, die aber immerhin eine Universität beherbergt, umarmen. Die Straßen sind ärmlich, einige Häuser verfallen – Baku mit seiner modernen Skyline ist weit weg. In Quba gibt es vier Synogagen und drei Moscheen. Die schiitische Moschee war früher zu zaristischen Zeiten eine Kirche, nun ist sie ein muslimisches Gotteshaus. Wann genau das Haus den Patron gewechselt hat, weiß man hier nicht. Vielleicht zu Zarenzeiten, ist eine Vermutung.

Wer eintreten möchte, muss seine Schuhe ausziehen. Männer haben keinen Zutritt, ein Mädchen nimmt gerade Koranunterricht. Ihr grasgrünes Tuch hat sie um ihren Kopf geschlungen, etwas unruhig und aufgeregt wegen der Besucher rutscht sie auf dem Boden herum und bohrt ihre Socken in den weichen Teppich. Bunte, reich verzierte Kissen stapeln sich an den Wänden, Bücher mit vergoldetem Einband stehen im Regal. Vor sich hat die Schülerin auf einem Holzpult einen Koran, aus dem sie ihren beiden Lehrerinnen vorliest. Man merkt, dass sie lieber hinübergeschaut hätte, doch die Lehrerinnen lassen das nicht zu. Rund 30 Mädchen werden zurzeit in der Koranschule unterrichtet, erzählen die Moscheediener. Selbst sie dürfen nicht eintreten und warten draußen. Selbstverständlich findet der Unterricht getrennt von den Jungen statt – auch wenn prinzipiell  beide Geschlechter das gleiche lernen. Knapp ein Jahr dauert die Koranausbildung. Da sind die Muslime streng.

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Auch das ist Aserbaidschan: Einsame Berggegenden im Kaukasus, wo die Menschen noch von Viehzucht leben.

Zurück im Resort. Unser Begleitung beim Abendessen heißt Suat, 34 Jahre alt. Er ist der Eventmanager des Hotels. Suat kommt aus Antalya in der Türkei, seit fünf Monaten lebt er in der aserbaidschanischen Provinz. Quirlig wie ein Stehaufmännchen bei nur knapp 1,65 Meter Größe, wuselt er herum. „Man nennt mich auch den kleinen Türken“, meint er lachend. Er ist sich für nichts zu schade, begleitet seine Gäste den ganzen Abend, der geborene Entertainer. Besonders stolz ist er auf seine Show. Schon während des ganzen Abendessens erzählt er von nichts anderem als von den Tanzeinlagen seiner „ukrainischen Mädels“. Die Reisegruppe reagiert verhalten bis belustigt. Ukrainische Mädels? Das weckt Assoziationen.

Backgammon, einige nennen es auch Spiel der Könige, fasziniert immer noch die Menschen. In Teestuben wetteifern ältere Herrschaften um den Sieg und vertreiben sich die Zeit.
Backgammon, einige nennen es auch Spiel der Könige, fasziniert immer noch die Menschen. In Teestuben wetteifern ältere Herrschaften um den Sieg und vertreiben sich die Zeit.

Doch Journalisten sind ja von Natur aus neugierige Menschen: Um elf Uhr sitzt man im Eventraum, und Suat hat nicht zu viel versprochen: Fast eine Stunde lang gibt eine Gruppe junger Frauen und Männer alles: Von Cancan-Hiphopmischungen und Walzertänzen, die von Schnulzen begleitet werden. Suat rast mit seinem Programm, das er selber zusammengestellt hat, mal eben quer durch die Musikgeschichte. Seine jüngste Entdeckung: Viam, braune Haare, hager, er wird uns heute Abend den Frank Sinatra machen. In weißem Anzug und schwarzem Glitzerhemd mit Sonnenbrille singt sich Viam die Seele aus dem Leib: New York New Yoooooork. Nicht nur für den ukrainischen Sänger ist der Tag lang, auch bei Suat hinterlässt der anstrengende Arbeitstag Spuren. Das fröhliche Gesicht für die Touristen, der sorgenvolle, konzentrierte Blick, wenn er etwas organisiert. Schnell checkt er SMS und Mails, schaut sich kritisch die Performance an, man ahnt, dass er ein anspruchsvoller Chef ist. Währenddessen tanzen, hüpfen und hopsen die Frauen in schwarzen Paillettenkleidern und Federn oder im Schulmädchenoutfit über die Bühne. Einige hoffnungsvolle Talente sind dabei, manche Möchtegern-Stars, im Großen und Ganzen eher 2B-Tänzer als die Crème de la Crème. Aber würde man sonst in der aserbaidschanischen Pampa Hotelgäste aus Russland unterhalten statt auf den Brettern zu stehen, die die Welt bedeuten – in Theatern oder Opernhäusern?

Julia, eine der Tänzerinnen, werden wir auch nachher auf der Tanzfläche treffen. Entspannt lässt die Ukrainerin den Abend ausklingen. Seit drei Monaten ist sie hier. Tagsüber arbeitet sie als Animateurin im Spabereich, abends steht sie auf der Tanzfläche. Die anderen Mitglieder des Ensembles kennt sie schon von Kindheitstagen an, man ist als Gruppe hierhergekommen. Wo ist für Julia der Unterschied zwischen Aserbaidschan und Ukraine? Ist Aserbaidschan das gelobte Land für arbeitssuchende ukrainische Künstler? Doch um diese Frage zu beantworten, reichen ihre Englischkenntnisse nicht. Vielleicht ist es auch das grelle Discolicht und die wummernde Technomusik, die die Kommunikation erschwert.

Baku – das Tor nach Aserbaidschan

Baku by night darf in keinem Reiseprogramm fehlen.
Und wie bei jeder Weltstadt gilt auch bei Aserbaidschans Hauptstadt: Baku by night darf in keinem Reiseprogramm fehlen.

Wer nach Aserbaidschan reist, kommt an Baku nicht vorbei, dem Anfangs- und Endpunkt jeder Reise. Die Hauptstadt hat ein ganz eigenes Flair, ein Mix aus Paris, Dubai und Mailand. Eine Mischung aus moderner Metropole, durch die in der Altstadt ein Hauch von archaischer Tradition weht. Baku hat einen der längsten Boulevards der Welt: Aktuell ist er sechs Kilometer lang und soll noch wachsen. Auf dem schicken Streifen am Kaspischen Meer, der von Palmen gesäumt ist, lässt es sich flanieren wie an der Côte d‘ Azur. Es ist heiß in der Hauptstadt: Mitte September kann es durchaus noch 30 Grad und mehr werden. Die Menschen sind auf den Beinen, Geschäfte und Café sind gut gefüllt.

Wir möchten uns die Zukunft vorhersagen lassen. Unser Dolmetscher hat den Kontakt zu einer Wahrsagerin hergestellt. Wir treffen sie gegenüber des Puppenthaters. Wer eine Kristallkugel und mystischen Zauber erwartet hat, wird enttäuscht. Eine kleine, alte Frau mit brauner runzliger Haut geht auf uns zu. Ihre Gestalt endet in rosa Sandalen, schwarze Netzstrümpfe hüllen ihre klobigen Füße ein. Am Körper trägt sie ein gestreiftes Kleid, ein weißes Tuch mit glitzernden Pailletten verhüllt ihre Haare. 68 sei sie, erzählt die Frau aus Sumqayit, einer Industriestadt nördlich von Baku, sie sieht aber aus wie 90. Herzlich begrüßt sie die Menschen und drückt einem ein Küsschen auf die Backe, ein Lachen entblößt einen fast zahnlosen Mund, ein einzelner Zahn ragt aus dem Mundwinkel auf. Wir machen es uns auf einer Parkbank im Schatten bequem. Hand auflegen, Beschwörungsformeln murmeln braucht es nicht.

Der Prophet Khizi hat mich im Traum besucht und mir diese Gabe offenbart.

Die Wahrsagerin aus Sumqayit - ob sich alles so zutragen wird, wie sie es vorhersieht?
Die Wahrsagerin aus Sumqayit – ob sich alles so zutragen wird, wie sie es vorhersieht?

Man nimmt neben ihr Platz, und schon sprudelt es aus ihr heraus, der Dolmetscher kommt kaum hinterher. Ob man Knieprobleme habe oder Bluthochdruck? Du musst mit deinem Herzen aufpassen! Hat man keinen Freund? In nächster Umgebung gebe es da jemanden. Bereits als Kind konnte sie die Wahrheit vorhersagen, erzählt sie. Der alte Prophet Khizi hat sie im Traum besucht und ihr diese Gabe offenbart. Ihr Platz ist normalerweise unter dem Feigenbaum am Beshbarmag-Berg, dem Fünffinger-Berg, dort sagt sie den Besuchern die Zukunft voraus. Ja, man werde alle Ziele erreichen und ein neues Auto erhält man auch. Soweit ist es fast bei jedem gleich, reingefallen möchte man schon denken. Doch dann mischen sich bei den ersten ein nachdenklicher Ton unters alberne Lachen. Woher weiß sie, dass eine Reiseteilnehmerin sich von ihrem Mann hat scheiden lassen? Und dass ein anderer als Kind fast ertrunken wäre? Diejenige, die am meisten gezweifelt hatte, staunt nun: „Die hat mich ja richtig gut beschrieben“, gibt die Teilnehmerin zu. Geduldig lässt sich die Wahrsagerin fotografieren. Nein sie will kein Geld, sagt sie, nimmt dann aber die zehn Manat (umgerechnet neun Euro) pro Person doch gerne an. Sie verabschiedet sich mit den besten Wünschen und verschwindet in der Metrostation.

Die Vorstellung im Hotel in Quba ist mittlerweile beendet. Suat, der Eventmanager, ist zufrieden. Er knipst sein Showlächeln an und hüpft selber auf die Bühne. Der 34-jährige Türke lässt jeden Tänzer einzeln hervortreten, sorgt dafür, dass jeder seinen verdienten Applaus erhält. Der Saal, der anfang noch recht leer war, hatte sich im Laufe der Stunde gut gefüllt. Die Gäste johlen. „Can can can – Azerbaijan“, rufen sie. Suat hat sich diesen Spruch selbst ausgedacht, auf ihn ist er besonders stolz. „Can“ heißt auf türkisch „Seele“, also frei übersetzt: Aserbaidschan, du bist meine Seele. Eine Liebeserklärung ans Land. Die Gäste sind begeistert, Suat erleichtert. Er hat es wieder mal geschafft.

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Baku: Alt und neu zugleich. Im Hintergrund die Flame Towers, Wahrzeichen des modernen Bakus, davor eine alte Moschee.

Pilgern für Anfänger

Zwei Tage lang unterwegs, durch die Weiten des rheinland-pfälzischen Maifelds, durch Sonne, Weizenfelder, an der Autobahn entlang, auf Asphalt, auf Wiese und Erde. Im Juli hab ich mal ausprobiert, was gefühlt jeder zweite nach Hape Kerkeling schon ausprobiert hat: Pilgern.

Ich habe daraus eine Reportage für die Rhein-Zeitung gemacht. Dort erzähle ich, wie ich bei der Herbergssuche verzweifele und Reinhold mich rettet. Ich erzähle wie es ist, mal mehrere Stunden lang mit keiner Menschenseele zu sprechen und was mit den Gedanken passiert, wenn man sie frei laufen lässt. Ich habe viele nette Menschen getroffen und bin an zwei Tagen 30 Kilometer gelaufen: Auf dem Schönstätter Pilgerweg von Mayen nach Koblenz. Danach hatte ich echt platte Füße, einen mega Sonnenbrand, war abgekämpft, aber zufrieden: Pilgern macht glücklich! Hier gibt’s die Bilder dazu.

Rucksack auf, es geht los!
Rucksack auf, es geht los!

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Durchs Maifeld....Felder, Felder, Felder
Durchs Maifeld….Felder, Felder, Felder

 

Ein freundliches Kerlchen wartet in dem Dörfchen Wolken auf den Briefträger.
Ein freundliches Kerlchen wartet in dem Dörfchen Wolken auf den Briefträger.
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An manchen Kreuzungen musste ich mich durch ein Sammelsurium von Schildern und Aufklebern wühlen.
Hier geht's lang: der Weg war sehr gut ausgeschildert, lediglich an einer Stelle habe ich gestockt. Aber an einer anderen bin ich total verzweifelt.
Hier geht’s lang: der Weg war sehr gut ausgeschildert, lediglich an einer Stelle habe ich gestockt. Aber an einer anderen bin ich total verzweifelt.
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Der Weg ist das Ziel…irgendwie stimmt das auch.

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Man fängt an, auf Kleinigkeiten zu achten…..die Wolken!
Ah! Meine erste Begegnung....mein Gegenüber war aber nicht sehr gesprächig. War mehr an Essen interessiert.
Ah! Meine erste Begegnung….mein Gegenüber war aber nicht sehr gesprächig. War mehr an Essen interessiert.
Noch 5 Kilometer bis Koblenz...letzte Kräfte mobilisieren!
Noch 5 Kilometer bis Koblenz…letzte Kräfte mobilisieren!
Eine Zeitlang laufe ich auch auf dem Eifelcamino, dem Stück des Jakobswegs, der durch die Eifel führt.
Eine Zeitlang laufe ich auch auf dem Eifelcamino, dem Stück des Jakobswegs, der durch die Eifel führt.
Und auf einmal stehe ich vor dem Eingang. Nach zwei Tagen und 30 Kilometern stolpere ich über das Eingangsschild zu den Schönstätter Marienschwestern.
Und auf einmal stehe ich vor dem Eingang. Nach zwei Tagen und 30 Kilometern stolpere ich über das Eingangsschild zu den Schönstätter Marienschwestern.
Ich bin da!
Ich bin da!
Mein Rucksack und ich haben's geschafft: Vor der Kapelle in Koblenz-Metternich. Juchu!
Mein Rucksack und ich haben’s geschafft: Vor der Kapelle in Koblenz-Metternich. Juchu!

 

Sehnsuchtsland Mongolei

Wer atemberaubende Naturschauspiele sucht, wird in der wilden Mongolei fündig. Neben spektakulären Ausblicken und kultureller Vielfalt haben die Nachfahren Dschingis Khans eins im Überfluss: Raum und Weite.

In Deutschland wird erbittert um Solarenergie gestritten. Doch in welchem Land der Erde gehören Solaranlagen zur Grundversorgung? In der Mongolei! Das hätte man als Europäer nicht vermutet, doch es ist wahr: Zu den allermeisten Nomadenjurten gehört eine Solaranlage, die den Bewohnern etwas Strom spendet. Willkommen im Reich der Nomaden, wo Traditionen wie zu Dschingis Khans Zeiten sich mit den Technologien der Gegenwart vermengen. Rund ein Drittel der mongolischen Bevölkerung lebt als Nomaden, das sind knapp eine Million Menschen. Alle paar Wochen packen sie ihre Zelte zusammen und ziehen weiter – immer auf der Suche nach frischen Weidegründen für ihr Vieh.

Die Mongolei liegt im Durchschnitt knapp eintausend Meter über dem Meeresspiegel
Die Mongolei liegt im Durchschnitt knapp eintausend Meter über dem Meeresspiegel

Doch wer in die Mongolei fährt, hat vor allen Dingen eins im Sinn: Die Natur. Denn wenn das Land etwas genug hat, dann ist es Steppe in allen Variationen, Wüste und Grasland.

Nicht nur Grasland – in der Mongolei findet man sechs unterschiedlich geografische Zonen: Die Hochgebirgszone, die Gebirgstaiga, die Gebirgswaldsteppe, die Steppe, die Wüstensteppe und die Wüste

Nomaden sind immer noch häufig zu Pferd unterwegs – trotz der großen Konkurrenz durch die motorisierten Fahrzeuge
Nomaden sind immer noch häufig zu Pferd unterwegs – trotz der großen Konkurrenz durch die motorisierten Fahrzeuge

In der Provinz Bulgan, nordwestlich der Hauptstadt Ulan Bator (mongolisch: Ulaanbaatar), sind die Wiesen grün und saftig, karge Baumbestände wechseln sich mit sanft geschwungenen Hügeln ab. Die Frische kommt nicht von ungefähr: Es regnet viel und mancherorts wähnt man sich in irischen Gefilden. Im Hunnental in der Arkhangai-Provinz, das sich südlich zieht, erlebt man die Mongolei, so wie man es sich als Europäer erträumt hat: Ein Fluss durchfließt das Tal, wie ein Band schlängelt er sich durch die grüne Landschaft.

Weiße Punkte entlang des Ufers verraten die Jurten und ihre Bewohner. Überall Tiere, soweit das Auge blickt: Ziegen, Schafe und Pferdeherden durchqueren die Steppe. Trotz Sommer ist es kühl, morgens ziehen Nebelschwaden an den Hügeln entlang. Tiefhängende Wolken schmiegen sich an die Berge – kommt die Sonne raus, erkennt man die komplizierten und filigranen Muster, die die Wolken auf die Berge malen.

Das Orkhontal – fruchtbare Ebene inmitten des Landes
Das Orkhontal – fruchtbare Ebene inmitten des Landes

Die Gobi: Trockene Steppe, kaum Vegetation und doch belebt

Fährt man noch weiter in den Süden, kommt man langsam aber sicher in das Gebiet der Gobi. Sichere Anzeichen sind die ersten Kamele, die durch die karge Steppe streifen. Die Mongolen benutzen den Begriff „Gobi“ nicht für eine bestimmte Region, sondern bezeichnen damit einen bestimmten Landschaftstypus: Der Begriff „Gobi“ bezeichnet eine trockene Wüstensteppe oder eine Fels- und Geröllwüste.

Die ersten Kamele kreuzen den Weg – die Wüste ist nicht mehr weit
Die ersten Kamele kreuzen den Weg – die Wüste ist nicht mehr weit

Wer das Tal der Gobiseen durchquert (eine 600 Kilometer breite Senke von Nordwest nach Südost) und eine Rast inmitten der knochentrockenen Steppe macht, dem fällt sofort die Stille auf, die in der Wüste herrscht. Bleiern legt sie sich auf die Ohren, erst nach einigen Sekunden der Gewöhnung vernimmt man ganz leise von fern ein Zirpen und Rascheln. Es ist brütend heiß, das Quecksilber klettert locker Richtung 40 Grad Celsius und das ist durchaus noch moderat. Am Horizont flimmert die Altai-Gebirgskette, einzige Vegetation sind die Abermillionen Saxaulbüsche, die alle paar Zentimeter die Steppe bedecken. Ja, dieser Ort wird zu Recht als „lebensfeindlich“ bezeichnet, auch wenn natürlich Leben herrscht: Einzelne Fliegen summen und bezeugen, dass dieser Ort nicht vollkommen verlassen ist. Zwei einzelne Nomadenjurten entdeckt man in der Ferne und fragt sich gleichzeitig, wie Menschen hier überleben können.

Atemberaubende Sonnenuntergänge in der Gobi
Atemberaubende Sonnenuntergänge in der Gobi

Wer in der Wüste ist, sollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen und den Sternenhimmel bewundern. Fernab von jeder Lichtverschmutzung kann man das ganze Ausmaß der Schönheit sehen: Tausende Sterne glitzern und funkeln am Firmament und reichen bis hinunter zum Horizont. Man hat das Gefühl, inmitten eines Sternenregens zu stehen.

Nirgendwo hat man so eine gute Sicht auf die Milchstraße, die sich wie ein weißes Band quer über den Himmel schlängelt. Auch die Sonnenaufgänge sind von betörender Schönheit: Wenn es gegen halb fünf Uhr im Sommer hell wird, tauchen die ersten Sonnenstrahlen die östlichen Ausläufer des Gobi-Altais in rosafarbenes Licht. Der Sand scheint minütlich die Farbe zu wechseln und geht die gesamte Palette an Pastellfarben rauf und runter, bis schließlich um halb sechs die Sonne aufgeht, das rosafarbene Licht verscheucht und der Tag anbricht.

Die Typische Vegetation der Wüste Gobi im Morgenlicht
Die Typische Vegetation der Wüste Gobi im Morgenlicht

Atemberaubende Landschaften wechseln sich ab – mal fühlt man sich in die Alpen versetzt, dann wieder erinnert die karge Natur an Patagonien

Die Reise führt zurück in den Norden. Man fährt vorbei an blühenden Wiesen, die von gelben und lilanen Farbtupfern übersäht sind. Es geht vorbei an den klaren und tiefblauen Bächen des Orkhontals, an den bunten buddhistischen Klöstern mit ihren knarzenden und quietschenden Gebetsmühlen. Und schließlich landet man dort, wo die Reise angefangen hat und wo alle Wege hinführen: Ulan Bator. Eine typisch postkommunistische Metropole, als Schönheit oder Juwel kann man sie weiß Gott nicht bezeichnen. Und dennoch findet man dort einen faszinierenden und spannenden Mix aus  sozialistischer Architektur, alten Tempelanlagen und modernen Bauten.

Blumen, Gras und sanfte Hügel erstrecken sich über ganze Landstriche
Blumen, Gras und sanfte Hügel erstrecken sich über ganze Landstriche

Die Mongolei ist ein Reiseland für die Sinne: Atemberaubende Landschaften ziehen am Reisenden vorbei, man trifft Menschen, die sich ihre ursprüngliche Lebensweise bewahrt haben und doch dem Fortschritt geöffnet haben. Und nicht zuletzt findet man das, wofür die Mongolei bekannt ist und wofür sie steht: Ruhe und Weite.

Für Botaniker ist die Mongolei ein Paradies
Für Botaniker ist die Mongolei ein Paradies
Der Terkhiin Tsagaan Nuur-See liegt heute in einem Nationalpark
Der Terkhiin Tsagaan Nuur-See liegt heute in einem Nationalpark
Landschaft im Orkhontal
Landschaft im Orkhontal
Kamele sind das Kapital der Züchterfamilien in der Wüste Gobi
Kamele sind das Kapital der Züchterfamilien in der Wüste Gobi
Buddhistische Klöster finden sich im ganzen Land, auch wenn viele von ihnen während der Kulturrevolution in den 1930er Jahren zerstört worden sind
Buddhistische Klöster finden sich im ganzen Land, auch wenn viele von ihnen während der Kulturrevolution in den 1930er Jahren zerstört worden sind
Nomaden in ihrem Sommerlager
Nomaden in ihrem Sommerlager
Nomaden leben in der ganzen Mongolei verstreut – hier hat eine Familie im Khangaigebirge ihr Sommerlager aufgeschlagen
Nomaden leben in der ganzen Mongolei verstreut – hier hat eine Familie im Khangaigebirge ihr Sommerlager aufgeschlagen
Man fährt durch eine ganze Reihe kleiner Orte: So schön die Landschaft ist, so trostlos sind die Städte – trotzder hübschen bunten Dächer
Man fährt durch eine ganze Reihe kleiner Orte: So schön die Landschaft ist, so trostlos sind die Städte – trotz der hübschen bunten Dächer
Die Klosteranlage Amarbajasgalant, zweitgrößtes Kloster in der Mongolei. Die kulturelle Nähe zu Tibet ist unverkennbar
Die Klosteranlage Amarbajasgalant, zweitgrößtes Kloster in der Mongolei. Die kulturelle Nähe zu Tibet ist unverkennbar
Buddhastatuen der Klosteranlage Amarbajasgalant
Buddhastatuen der Klosteranlage Amarbajasgalant
Kein Kloster ohne Gebetsmühlen
Kein Kloster ohne Gebetsmühlen
Ulan Bator – die Stadt schwankt zwischen Kitsch und Kultur...
Ulan Bator – die Stadt schwankt zwischen Kitsch und Kultur…
...und zwischen Sozialismus und Moderne
…und zwischen Sozialismus und Moderne

Die grüne Insel

Irland ist ein Faszinosum. Die grüne Insel zieht Menschen magisch an, es pilgern ganze Scharen dorthin. Heinrich Böll hat 1957 ein „Irisches Tagebuch“ herausgebracht. Letztes Jahr habe ich mich dazu entschlossen habe, mit die saftigen grünen Wiesen selber anzuschauen.

Böll schreibt: „Als ich an Bord des Dampfers ging, sah ich, hörte und roch ich, dass ich eine Grenze überschritten hatte.“ Nun gut, meine Reise geht nicht übers Wasser, sondern durch die Luft. Bölls Erzählung ist ja nun auch schon über 50 Jahre her, so viel Nostalgie muss nicht sein. Eine Woche verbringe ich in Irland, zuerst drei Tage in Dublin, dann reise ich über Limerick an die Westküste und über Galyway wieder zurück nach Dublin.

Limerick, Irlands Prototyp einer "Arbeiterstadt"
Limerick, Irlands Prototyp einer „Arbeiterstadt“. Im Roman „Die Asche meiner Mutter“ von Frank McCourt kann man nachlesen, wie das Leben dort war.

Dublin – Epizentrum der irischen Kultur und Lebensfreude

Was soll man zu Irland Hauptstadt sagen? Bunt, quirlig, laut, toll! So viele bunte Pubs, rote Busse, farbige Schilder sieht man nirgendwo wie in Dublin. Dazu kommen die Menschenmassen: Irland hat die höchste Geburtenrate der EU, und das merkt man auch! Die Einkaufsstraßen sind voller kauflustiger Leute (Krise? Welche Krise?!), selbst an Sonntagen gehen die Iren einkaufen. Wobei man hier fair sein muss: Spuren der Krise kann man tatsächlich erkennen: Es gibt unheimlich viel Leerstand im Stadtbild, die „zu verkaufen“-Schilder sprechen eine deutliche Sprache.

 Mediterranes Ambiente im hohen Norden

Doch von solchen Umständen scheint sich das Völkchen nicht unterkriegen zu lassen: Abends wird in den Pubs gefeiert, in den Straßen wird Musik gemacht, spontan gesellen sich paar Jugendliche dazu und singen: Ein mediterranes Flair kommt auf, fast könnte man meinen, man sei in Italien oder Spanien. Aber nur fast, denn das Wetter ist in der Tat rau. Ich hatte Glück: Während meiner Reise hat es nur an zwei Tagen geregnet, dafür aber umso heftiger. Einmal hat es mich im wunderschönen Gebirge der Wicklow-Mountains erwischt. In der Nähe der Ruinen der Wohnstätten des heiligen Kevin aus dem sechsten Jahrhundert liegt der „Upper lake“ – profaner Name, dennoch wunderschön! (Und ja, es gibt auch einen „lower lake“).

Doch das Wetter im Gebirge kann schnell umschlagen: Innerhalb von wenigen Minuten türmen sich Wolken zusammen und es schüttet wie aus Kübeln, da zeigt Irlands Natur, dass sie durchaus zu recht als „unbändig“ und „unberechenbar“ angesehen wird. Besonders empfehlenswert ist Howth, eine kleine Halbinsel im Nord-Osten von Dublin, mit der DART-Bahn eine knappe halbe Stunde entfernt. Schon ist man an der See und kann das süße Hafenstädtchen erkunden oder umrunden. Man kann direkt an den Klippen an der ganzen Halbinsel entlang gehen: Spektakuläre Ausblicke sind garantiert!

Alles, was mit Kunst & Kultur zu tun hat, findet man in Dublin: Diverse Museen und Kirchen laden ein, keltische bis viktorianische Jahrhunderte zu entdecken. Die Museen kosten sogar keinen Eintritt (echt toll, wobei….wie ist Irland noch mal in die Krise geraten?….). Weiter geht’s nach Limerick: Eine nette Innenstadt mit Burg, Fluss und einer Kirche, der Rest ist hässlich. Na, kein Wunder, Limerick ist bzw. war auch die klassische Arbeiterstadt. „Die Asche meiner Mutter“ erzählt von einer schwierigen irischen Kindheit in Limerick. Die Iren haben in ihrer Geschichte erlebt, was Not ist.

Die Halbinsel Howth im Nordosten von Dublin
Die Halbinsel Howth im Nordosten von Dublin

Die Küste

Es regnet. Und es ist windig. Und ungemütlich. So sieht das typisch irische Wetter an der Westküste aus: Kalte Atlantikwinde wehen einem oder einer Sprühregen ins Gesicht. Jetzt zahlt sich die Investition in eine wasser- und windabweisende Jacke aus (Ha, die 80 Euro waren doch nicht für die Katz! Ich hatte bei dem Preis kurzzeitig daran gezweifelt…). Hier findet man endlich ein bisschen mehr Ruhe als im überdrehten Dublin (aber es sind immer noch viele Touristen da, es gibt überall Touristen!). Aber hier kann man auch mal wandern, ohne auf Menschen zu stoßen. Eine raue, herbe, unwirtliche Landschaft, trotzdem einfach faszinierend: Wie sich die Wolken zusammenballen und wieder auflösen, wie sich das Meer den Winden beugt und wie knallbunte Blumen innerhalb der grünen Wiesen dem Wind trotzen.

Und es ist wirklich wahr: Irland ist grün! Grüne Wiesen, sobald das Auge reicht. Schafe, die zwischen Steinmauern grasen. So stellt man sich Irland wirklich vor und so findet man es auch noch abseits der Städte. Sehr zu empfehlen ist die karge Landschaft des Burren: Eine Steinlandschaft, geschaffen von der letzten Eiszeit, als das Eis die Steine zusammengepresst hat. Ähnelt dem, was man sich unter einer Mondlandschaft vorstellt, ist aber keineswegs öde oder langweilig, sondern erstaunend: teilweise sehen die Steine wie mit dem Lineal gezogen aus und man kann überall kleine Pflanzen zwischen den Steinen herausgucken sehen.

Zurück in der Zivilisation

Galway ist eine kleine, süße, bunte Stadt mit einem tollen Stadtmuseum und leckeren Cafés. Das ist die Erkenntnis von einem Tag in Galway, denn schon geht es zurück nach Dublin, wo ich in eine Tierschutz-Demo reinstolpere. Respekt, es gibt anscheinend Iren, die nicht nur ihre Zähne in etwas hineinschlagen wollen, das einmal gelebt hat. Ich bin beeindruckt! Aber VegetarierInnen können beruhigt sein: Es gibt genug nicht-fleischliches zu essen: gute Fritten, leckere Sandwiches und natürlich hat Alkohol auch Kalorien…

Morbider Charme in Glendalough - dem Ort der zwei Seenn
Verwitterte Grabsteine in den Wicklow Mountains – hier hat der heilige Kevin im 6. Jahrhundert gelebt.

Minus:

Leider sind alle schönen Ziele von Touristen überschwemmt, das war eine herbe Enttäuschung. Nichts von wegen Einsamkeit und Mystik – zumindest die Stellen, die in irgendeiner Weise in einem Reiseführer erwähnt werden, teilt man sich mit Familien mit kleinen, weinenden, zankenden Kindern, die natürlich noch mit dem Hund da sind, asiatischen Reisegruppen (ich hasse es, Klischees bestätigen zu müssen, aber die machen echt viele Fotos!) und Unmengen an Deutschen. Es ist unglaublich: Selbst im hintersten Kaff kann man noch Deutsche kennenlernen. Ja, es stimmt: Wir sind nicht nur Papst, wir sind auch Reiseweltmeister. Witzig, aber irgendwann nervt es auch, (gefühlt) an jeder Ecke auf deutsche Touristen zu treffen.

Plus:

Die Touristenhorden haben auch Vorteile: Es ist so leicht wie nie, mit fremden Leuten ins Gespräch zu kommen. Auch wenn man alleine reist, findet man immer jemanden, mit dem man sich unterhalten kann (zumindest wenn man häufig in Hostels unterwegs ist). Ich habe mich noch nie mit so vielen jungen Leuten aus so vielen verschiedenen Ländern unterhalten: Grandios!

Nicht verpassen:

Eigentlich völlig unnötig, das zu erwähnen, aber gutes irisches Bier trinken und dabei einigen TänzerInnen auf der Bühne zuzusehen, ist schon ein großer Genuss. Der irish dance erfordert viel Geschicklichkeit und Schnelligkeit und die irische Musik hat von tieftraurig-melancholisch bis fröhlich-ausgelassen alle Facetten!

Wer Irland mag, wird auch Schottland lieben! Hier geht es zu meinem Reisebericht zu meiner Wanderwoche in Oban.