Arm oder reich? Warum Nationen scheitern

Warum sind einige Nationen wohlhabend, demokratisch und lassen ihre Bürger an politischen und wirtschaftlichen Prozessen teilhaben – während andere Staaten unter machthungrigen Personen leiden, die ihre Bürger ausbeuten und sie an der gesellschaftlichen Teilhabe hindern? Dieser Frage gehen die Wissenschaftler Daron Acemoglu und James Robinson in ihrem Werk „Warum Nationen scheitern“ nach.

Die Autoren behaupten, dass einige (zugegebenermaßen klischeebehafteten) Theorien mit ihren kulturwissenschaftlichen oder geografischen Ansätzen die Unterschiede auf der Welt nicht erklären können, und entwickeln in ihrem Buch einen neuen Ansatz.

Wohlstand kann dort am besten gedeihen, wo sich inklusive politische und wirtschaftliche Institutionen ausbilden, sagen Ökonom Acemoglu und Politologe Robinson und meinen damit Systeme wie „unsere“ Demokratien der „westlichen Welt“, die Bürger mitbestimmen lassen, Eigentumsrechte durchsetzen, faire Wettbewerbsbedingungen und ein unabhängiges Rechtssystem zulassen. Begrenzt ist Wohlstand auch in anderen Systemen möglich, als Beispiel dienen den beiden Wissenschaftlern die ehemalige Sowjetunion mit ihrer Planwirtschaft und das heutige China, was ja immer noch kommunistisch geprägt ist, sich mittlerweile dennoch wirtschaftlich stark geöffnet und reformiert hat. Doch nur die inklusiven Systemen erzeugen nachhaltig Wohlstand, davon sind die Autoren überzeugt.

Doch warum haben sich in einigen Ländern der Erde solche Systeme entwickelt und in anderen nicht? Hier gibt das Ökonomen-Politologen-Duo einen interessanten und analytischen Einblick in die Geschichte und erklärt mit seiner Theorie, warum die industrielle Revolution gerade in Großbritannien ihren Anfang nahm und wie es dazu kam, dass sich die politische Macht auf viele Schultern verteilte und somit Schub für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung gab – während in anderen Regionen die Macht in den Händen eines Königs oder einer Dynastie vereint blieb und sich die Gesellschaften bis heute nicht davon erholt haben. Warum spielt das Thema Leibeigenschaft im Mittelalter eine so große Rolle und was für Auswirkungen hatte das Wüten der schwarzen Pest im 14. Jahrhundert? Was hat die europäische Kolonialisierung mit der Armut in so vielen afrikanischen Staaten zu tun (eine Menge!) und sind die Entwicklungen immer vorgeben, oder kann man Teufelskreise auch durchbrechen – oder sind sogar demokratische wohlhabende Systeme dem Risiko, ein failed state zu werden, ausgesetzt?

Die beiden Autoren entwickeln ihre Theorie anhand von vielen Beispielen aus der ganzen Welt und aus allen Epochen. Manchmal kommt man durch die Sprünge zwischen den verschiedenen Jahrhunderten und Kontinenten kaum hinterher. Das Werk ist keine locker-flockige Bettlektüre, bietet aber auf knapp 600 Seiten einen guten Überblick über das Zusammenspiel von Wirtschaft, Politik und geschichtlichen Entwicklungen. „Aha-Effekte“ sind garantiert, das Buch macht definitiv Lust, sich mehr mit diesem Thema zu beschäftigen.

„Warum Nationen scheitern“ – von Daron Acemoglu und James A. Robinson, www.fischerverlage.de

In oder Out? Großbritannien vor dem EU-Referendum

Es ist das absolut beherrschende Thema in den britischen Medien: Sollen die Briten die Europäische Union verlassen oder entscheiden sie sich am 23. Juni dafür, weiterhin Teil von Europa zu sein?

Die Fronten sind verhärtet: Anhänger der Leave oder Remain-Kampagne haben sich in den jüngst ausgetragenen Fernsehduellen beschimpft. Die Zeitungen sind voll mit Meinungsbeiträgen, Fernsehteams rücken aufs Land aus, um zu erfahren, was die Briten wirklich denken. Die Bürger der Insel stehen vor einer historischen Wahl, die nicht nur ihr Leben, sondern auch das des europäischen Festlandes oder sogar der Welt verändern könnte.

Die wichtigsten Themen, um die die Briten streiten, sind Wirtschaft, Immigration und Sicherheit. Die Pro-Europäer behaupten, dass Großbritannien seine Sicherheit nur gewährleisten kann, wenn es Teil der EU bleibt: „Intelligence-sharing systems within the EU are vital to keeping this country safe“, behaupteten Premierminister David Cameron und Home Secretary Theresa May laut der Tageszeitung „The Daily Telegraph“.

Ohne die EU sei Großbritannien bei der Terrorbekämpfung besser dran

Die Anhänger der Leave-Kampagne widerum behaupten, dass Großbritannien Terror besser bekämpfen kann, wenn es aus der EU austritt. Die Europäische Union sei eher „driven by those who see institutions appropriating power, rather than people doing the job in hand“, schreibt Security Minister John Hayes in einem Gastbeitrag im „The Daily Telegraph“. Und weiter: Die EU sei „too rigid to deal with the pan-national terrorist threat.“

Niemand weiß, was passieren wird, wenn Großbritannien aus der EU austritt – und welche Auswirkungen das auf die Wirtschaft hat. Die Ratingsagentur Standard & Poor’s kündigte an, das Land herunterstufen zu wollen, sollte es für den Austritt stimmen. „There is no clear Plan B in the UK and we are not going to wait until we find out what the British position actually is“, zitiert die Tageszeitung Moritz Kraemer von der Ratingagentur. Aktuell besitzt das Königreich die Bestbewertung: AAA. Doch auch die EU könnte schlechter bewertet werden, schließlich verliert sie eines der best zahlenden Mitglieder, warnt Standard & Poor’s.

Noch hängen sie einträchtig nebeneinander: Die Flagge der Europäischen Union neben der britischen. Dazwischen die schottische, denn das Bild wurde vor dem schottischen Parlament in Edinburgh aufgenommen.
Noch hängen sie einträchtig nebeneinander: Die Flagge der Europäischen Union neben der britischen. Dazwischen die schottische, denn das Bild wurde vor dem schottischen Parlament in Edinburgh aufgenommen.

Sowieso: Das liebe Geld. Seit Margaret Thatcher den „Briten-Rabatt“ ausgehandelt hat („I want my money back“), ist Großbritannien nicht wohl bei dem Gedanken, so viel Geld an die EU zu überweisen. Das nutzen die Anhänger der Leave-Kampagne weidlich aus. In TV-Werbespots erklären sie, dass Großbritannien pro Woche 350 Millionen Pfundan die EU überweist – und sie fordern, dass Geld lieber in neue Krankenhäuser und generell in die Gesundheitsversorgung zu stecken. „Take back control“, ist ihr Slogan. „That is cold hard cash that belongs to the people of this country that is sent back every year, every week, to Brussels“, schürt Londons Ex-Bürgermeister und prominentestes Gesicht der Leave-Kampagne, Boris Johnson, das Feuer. Er war sich in einer der jüngsten Fernsehdebatten sicher, dass „Britain would propser as never before“, sollte es die EU verlassen. Johnsons Gegner werfen ihm vor, den Brexit nur für seine eigene Karriere nutzen zu wollen und auf den Posten des Premier Ministers zu schielen.

Nein-Sager wählen eher mit „passion“

Und die Bürger? Viele sind verunsichert und wissen nicht genau, welchen Zahlen und Szenarien sie Glauben schenken sollen. Andere wiederum haben sich ihre Meinung schon längst gebildet. Eine Zufallsbegegnung im Cafe in den schottischen West Highlands, bei Tee und  Scones kommt man ins Gespräch. Ein junger Angestellter im öffentlichen Dienst aus London ist zurzeit auf Dienstreise und nutzt einen halben freien Tag, um ein wenig Sightseeing zu betreiben. Bislang dachte er, dass seine Landsleute letztlich doch für einen Verbleib in der EU stimmen werden, erzählt er. Doch mittlerweile sei er sich da nicht sicher. Die Brexit-Befürworter würden einen intensiven Wahlkampf führen, die Nein-Sager würden „with passion“ wählen gehen. Im Gegensatz dazu die EU-Befürworter, sie führen einen Wahlkampf, der nur auf die negativen Konsequenzen eines Austritts gerichtet ist, statt die positiven Seiten der EU hervorzuheben, bemängelt der Londoner. Es scheint, als würden die Brexit-Befürworter ihre Wähler eher mobilisieren und emotional ansprechen können. Er wird auf jeden Fall für „Remain“ wählen, sagt er.

Grundsätzlich sind die Schotten eher pro-europäisch eingestellt. Sie haben sich ja vor zwei Jahren in einem eigenen Referendum für ihren Verbleib im Vereinigten Königreich entschieden – und somit auch für den Verbleib in der Europäischen Union. In Umfragen bestätigt sich der Trend: 51 Prozent der Schotten haben sich laut einer Umfrage der internationalen Agentur TNS für den Verbleib in der EU ausgesprochen, nur 21 Prozent waren dagegen. Wenn Großbritannien tatsächlich austreten würde, wäre das auf jeden Fall eins: Eine historische Zäsur in der Geschichte der Europäischen Union, die zu Konsequenzen und Umwälzungen führen würde, die wir heute noch gar nicht absehen können.

EEG-Reform: Schuss ins eigene Knie

Der Energiewende hatte Kanzlerin Angela Merkel nach dem Atomreaktor-Unglück in Fukushima 2011 höchste Priorität eingeräumt. Ausstieg aus der Atomkraft, mehr erneuerbare Energien – so war der Plan. Doch tut man der Energiewende einen Gefallen mit der neuen Reform?

Vergangenes Jahr war jede dritte Stunde Strom (31 Prozent) durch Wind, Sonne oder Biomasse erzeugt. 2014 waren es 26 Prozent, es wird also immer mehr. Gut so. Nur dass der Preis pro Stunde immer mehr ansteigt, seit 2000 kontinuierlich. Mittlerweile hat er sich im Schnitt verdoppelt, von knapp 13 Cent pro Kilowattstunde auf gut 26.

Seit dem Jahr also steigt der Strompreis, in dem das Erneuerbare-Energien-Gesetz beschlossen wurde. Das sollte den Ausbau von regenerativen Energien fördern – was es auch getan hat. Nun soll der Preis für Ökostrom durch den Markt geregelt werden. Ziel: Den Anstieg der EEG-Umlage und somit den Anstieg des Strompreises zu drosseln. Vorab wird demnächst ein gewisses Kontingent an Stommenge festgelegt. Wer neue Anlagen ans Netz bringen will, muss sie ausschreiben und erhält dann nicht mehr automatisch eine gesetzlich festgelegte Förderung. Sondern nur derjenige erhält den Zuschlag und somit die Förderung, der das niedrigste Gebot abgibt. So soll der Strom durch mehr Wettbewerb günstiger werden, das ist die Hoffnung der großen Koalition. Nur noch für kleinere Anlage in Privathänden soll es eine feste Förderzusage geben.

Ist mehr Wettbewerb immer automatisch gut?

Doch ob die Regierung der Energiewende damit einen Gefallen getan hat, bleibt abzuwarten. Wenn „der Markt“ alles regeln soll, fällt immer irgendwer hinten über. Hier fürchten kleinere Anlagen, beispielsweise in Hand von Bürgergenossenschaften, negative Konsequenzen. Kürzlich hatte ich mich mit einem Bürger-Windparkbetreiber aus der Eifel unterhalten. Er befürchtet, dass seine Anlagen demnächst nicht mehr rentabel sein können. Wer will sich dann daran beteiligen? Und um an Ausschreibungen teilzunehmen, müsse man Sicherheiten im sechsstelligen Bereich hinterlegen, sagt er. Wo sollen die herkommen? Dem Ausbau der Windkraft & Co. wird das nicht förderlich sein. Und war nicht genau das das Ziel? Greenpeace kritisiert die Reform: „Eine der bislang zentralen Erfolgsfaktoren für die Energiewende und ihre Akzeptanz in der Bevölkerung war das große Engagement der Bürgerinnen und Bürger“, schreibt die Organisation auf ihrer Webseite. „Die wird durch die Novellierung des EEG aufs Spiel gesetzt.“

Strom in Deutschland noch lange kein Luxusgut

Und überhaupt ist es jammern auf hohem Niveau. 26 Cent pro Kilowattstunde Strom ist keine gigantische Summe, die die Menschen in den Ruin treibt. Ich persönlich zahle knapp 20 Euro im Monat für Strom: Ökostrom! Und bei mir steckt unentwegt irgendein Gerät, sei es Tablet, Smartphone oder Kamera am Ladegerät. Und auch ich besitze ganz normal einen Kühlschrank, okay, dafür keinen Fernseher.

Von nichts kommt nunmal nichts, und von der Energiewende werden wir alle etwas haben, daher habe ich nichts dagegen, einen EEG-Aufschlag auf meinen Strom zu zahlen – wenn er zu einem Mehr an erneuerbaren Energien führt. Und das tut er doch. Ein Gesetz zu reformieren und an veränderte Entwicklungen anzupassen, ist per se ersteinmal etwas Gutes. Doch ich bleibe skeptisch, ob sich das Überstülpen von Marktmechanismen auf die Erneuerbare-Energien-Förderung positiv auswirkt, oder ob es den Ausbau nicht eher hemmen wird – oder nur den großen Konzernen mit riesigen Anlagen in die Hände spielt.